Eine Familie für Julianne
mich dazu bringen, bevor ich selbst bereit dazu bin.“
Das war nicht gerade eine Ermutigung, aber auch keine völlige Abfuhr. Bevor ich bereit dazu bin klang immer noch besser als nie und nimmer.
Hin- und hergerissen zwischen Bangen und Hoffen ging er zu Julianne hinüber, nahm sie in den Arm und küsste ihren staubigen Scheitel.
„Ist schon okay, Liebes“, flüsterte er. „Wir haben alle Zeit der Welt.“
„Gut“, seufzte sie erleichtert. „Dann lass uns Pippa ins Bett bringen, damit du mir helfen kannst, die Stücke für morgen auszuwählen.“
Das war nicht gerade eine Einladung zu wildem, hemmungslosen Sex, aber immerhin ein erster Schritt.
„Ich habe“, sagte Julianne und streckte der letzten der sechs Galeriebesitzerinnen die Hand hin, „wie gesagt noch ein paar andere Angebote. Also werde ich Ihnen meine Entscheidung in ein paar Tagen mitteilen.“
Kevin, der in einer Ecke die Muster wieder einpackte, lächelte amüsiert, als die Galeriebesitzerin nach Atem rang. „Aber wir haben die perfekten Kunden für Ihre Arbeiten und …“
„Bestimmt. Ich möchte mich nur in Ruhe entscheiden. Zumal Ihre Kommission ein wenig höher ist als üblich.“
„Was durch unseren großen Kundenkreis mehr als aufgewogen wird“, erklärte die Frau etwas säuerlich.
Julianne lächelte. „Und da ich nur eine gewisse Anzahl von Stücken in der Woche herstellen kann, muss ich den Profitrahmen trotzdem berücksichtigen. Wie gesagt, ich melde mich in Kürze.“
Sie sah sich noch einmal in der hübsch dekorierten Galerie um und fügte hinzu: „Ich kann allerdings verstehen, warum ihr Kundenkreis so groß ist – Sie haben einen unglaublich guten Geschmack!“
Kevin unterdrückte ein Lachen. Sie hatten sechs Galerien besucht, und sechs Mal hatte Julianne zum Abschluss exakt diesen Satz gesagt. Es war faszinierend, sie in der Rolle der knallharten Geschäftsfrau zu sehen – eine völlig neue Rolle, wie sie erklärte, da Gil früher den Verkauf für sie übernommen hatte.
Doch Julianne wirkte kein bisschen nervös, sondern in ihrem fuchsiafarbenen Sommerkleid und hochhackigen Sandalen sehr professionell und selbstsicher.
Erst, als sie wieder in ihrem Wagen saßen, lehnte sie sich erschöpft im Sitz zurück. Allerdings mit einem sehr selbstzufriedenen Grinsen. Kevin, dem sie die Autoschlüssel in die Hand gedrückt hatte, fädelte sich in den laufenden Verkehr ein.
„Du hast es geschafft, Julianne. Du warst umwerfend.“
„Ist gar nicht so schlecht gelaufen, was?“
„Machst du Witze? Du warst die Hölle auf Rädern!“
Sie lachte laut, dann wandte sie sich ihm mit glänzenden Augen zu. Obwohl sie versichert hatte, dass sie ungetönte Kontaktlinsen trug, wirkten ihre Augen viel blauer als sonst.
„Hast du gesehen, wie viele Kunden in der letzten Galerie meine Sachen schon in der Hand hatten?“
„Die werden weggehen wie warme Semmeln.“
„Stimmt.“
Kevin lachte leise. „Du bist doch ein Schelm. Du hast dich längst entschieden, oder?“
„Ja, so gut wie. Die Galerie an der Canyon Road in Santa Fe und die, in der wir gerade waren. Beide wollen die Exklusivrechte, aber da sie in verschiedenen Städten sind …“
Ihr Handy klingelte. „Ja? Oh, hi, Ms. Martinez …“
Sie wandte sich Kevin zu und hob eine Augenbraue. „Ich verstehe. Ja, das ist ein Argument. Ich denke darüber nach. Ja, versprochen, spätestens übermorgen.“
Nachdem sie sich verabschiedet hatte, klappte sie das Handy zu. „Das war die letzte Galerie. Sie will die Kommission verringern, wenn sie dafür die Exklusivrechte in Albuquerque bekommt. Und sie will die Fellfen-Sammlung den ganzen nächsten Monat prominent präsentieren!“
„Yippie!“, rief Kevin und drückte ihre Hand. „Und was machen wir jetzt?“
„Hm, wir hätten da ein Baby abzuholen?“
„Das weiß ich doch.“
Sie hatten Pippa bei Lupa, der Frau von Felix, gelassen. Kevin vertraute ihr vollkommen.
Es war nach sieben, als sie es im Feierabendverkehr endlich nach Hause geschafft hatten. Während Julianne ein sehr hungriges Baby fütterte, fuhr Kevin noch mal los, um fürs Abendessen einzukaufen. Erst hatte er vorgeschlagen, in einem Restaurant zu feiern, aber Julianne war viel zu müde, um mit Pippa noch auszugehen.
Auch, wenn es lange her war, dass sich müde so gut angefühlt hatte.
War das wirklich sie gewesen, die umgängliche, zuvorkommende Julianne, die den Galeriebesitzerinnen eingeredet hatte, ihnen einen großen Gefallen zu tun, wenn sie
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