Eine fast perfekte Lüge
nehmen zu lassen.
„Ich war damals erst dreizehn. Du kannst mich nicht für etwas verantwortlich machen, was die anderen getan haben.“
Jonah, der gerade eine Hand voll Socken in einen Koffer warf, sah in Gedanken ein mageres dreizehnjähriges Mädchen mit einer Zahnspange vor sich, das jede Gelegenheit genutzt hatte, um in seiner Nähe zu sein. Natürlich wusste er, dass sie Recht hatte, aber es war nicht ganz einfach, sich an das Kind von damals zu erinnern, wenn er die Frau von heute vor sich sah.
„Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte Evan nie erfahren, wer sein Vater ist“, sagte sie.
Jonah musterte sie argwöhnisch.
Macie seufzte. Es schien ein fast aussichtsloses Unterfangen, sein Vertrauen zu erringen.
„Du? Warum?“ fragte Jonah.
„Weil er gefragt hat. Mit sechs wollte er von mir wissen, wer sein Daddy ist. Ich erzählte ihm, dass sein Vater irgendwo draußen in der Welt für eine gerechte Sache kämpft. Damit gab er sich eine Weile zufrieden, aber als er zwölf war, fragte er, warum sein Daddy ihn nie besuchen kommt. Da habe ich ihm die Wahrheit erzählt. Das Verhalten seiner Mutter hat ihn nicht sonderlich überrascht, aber auf Declyn war er sehr wütend. Felicity hat mir nie verziehen, dass ich das getan habe, und Declyn hat mir verboten, je wieder einen Fuß in sein Haus zu setzen.“
Macie machte eine kurze Pause, und als sie fortfuhr, hörte Jonah ein leises Zittern in ihrer Stimme mitschwingen. „Ich war seit jenem Tag nicht mehr dort – bis gestern natürlich –, auch wenn ich mit Evan telefonisch und durch E-Mail ständig in Verbindung geblieben bin.“
Jonah starrte sie immer noch misstrauisch an, obwohl er ihr das, was sie getan hatte, hoch anrechnete. Sie hatte sich Declyn Blaine ohne Rücksicht auf die Folgen widersetzt. Jetzt schlug sie sich sichtlich aus der Fassung gebracht die Hände vors Gesicht.
„Ich musste Felicitys Leiche identifizieren und im Krankenhaus meine Zustimmung geben, dass mein Vater lebensverlängernde Maßnahmen erhält“, stieß sie tonlos hervor. „Obwohl ein Teil von mir gute Lust gehabt hätte, den Dreckskerl einfach sterben zu lassen“, fügte sie bitter hinzu.
Jonah zuckte zusammen. Offenbar war sie nervlich völlig am Ende, sonst würde sie so etwas nicht sagen. „Es tut mir wirklich Leid, Macie … ich weiß, wie viel Felicity dir bedeutet hat.“ Er holte tief Luft und versuchte, so sachlich wie möglich zu klingen, als er sie fragte: „Und warum hast du Evan von mir erzählt, aber mir umgekehrt nie von ihm?“
„Ich hatte es vor, aber ich wusste nicht, wo du warst. Ich habe mehrere Anläufe unternommen, dich zu finden, doch du warst wie vom Erdboden verschluckt. Alles, was ich wusste, war, dass du für die Regierung arbeitest, aber mit dieser Information konnte ich nicht viel anfangen. Gestern musste ich meine gesamte Überredungskunst aufbringen, um einem Senator zu entlocken, wo du dich aufhältst. Daraufhin bin ich sofort mit einer Chartermaschine hierher geflogen und habe mehr als zwei Stunden vor deiner Tür auf dich gewartet, obwohl ich nicht einmal weiß, ob Evan noch lebt. Er ist so ein großartiger Junge, Jonah. Du kannst stolz auf ihn sein. Er hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit Declyn.“ Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann mit zitternder Stimme fort: „Evan ist alles, was ich noch habe, und ich will ihn nicht auch noch verlieren.“
Sie klang so verzweifelt, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Dabei versuchte er sich einzureden, dass er sie früher schließlich oft freundschaftlich umarmt hatte und dass es in einer Krisensituation ganz normal war, wenn ein Mensch den anderen tröstete. Aber fünfzehn Jahre waren eine lange Zeit, und Macie Blaine war nicht mehr das magere Mädchen, sondern eine atemberaubend schöne Frau. Schließlich ließ er sie wieder los und wich einen kleinen Schritt zurück, weil er ihr bei dem, was er gleich sagen wollte, ins Gesicht sehen musste.
„Ich komme mit … ich muss meinen Sohn suchen, und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um ihn zu finden. Aber sei gewarnt: Ich werde nicht zulassen, dass ich noch mehr Zeit mit ihm verliere. Ab jetzt werde ich in seinem Leben präsent sein, egal, ob das den Blaines passt oder nicht.“
Macie, der jetzt die Tränen über die Wangen strömten, nickte. „Das ist nur allzu verständlich, und ich wüsste nicht, wer dir da widersprechen sollte. Bis auf mich ist ja niemand mehr da, der
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