Eine fast perfekte Lüge
heiße, erstickende, aus Hoffnungslosigkeit und Angst geborene Tränen.
„Helft mir“, flüsterte er, bevor er auf den Boden glitt und zur Seite rollte. „Irgendjemand muss mir helfen.“
Er zog die Knie an seine Brust, barg seinen Kopf in den Armen und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Nachmittag: Das Anwesen der Blaines in Bel Air
Jonahs Nackenhaare stellten sich auf, als das Taxi durch die geöffnete Schranke die Einfahrt zur Blaine-Villa hinauffuhr. Zwei Häuserblocks weiter lauerte hinter dem gelben Polizeiabsperrband eine hungrige Reportermeute darauf, wenigstens ein paar Kameraeinstellungen zu bekommen, die man in den Sechs-Uhr-Nachrichten verwenden konnte. Jonah spürte, wie Macie neben ihm sich immer mehr in sich verkroch, so als ob sie versuchte, den Kameraobjektiven zu entkommen. Ein Teil von ihm wünschte sich, den Helden spielen und sie beschützen zu können, aber sie wirkte nicht hilflos, und zudem war er sich nicht sicher, ob er mit einer Blaine Frieden schließen wollte.
Bei seinem letzten Besuch hier war er tausend Tode gestorben. Obwohl das alles fünfzehn Jahre her war, krampfte sich sein Magen bei dem Gedanken an das Geschehene genau wie damals zusammen, ein Umstand, der ihm nicht gerade behagte. Er wollte nicht hier sein, und ohne seinen Sohn, von dessen Existenz er nicht einmal etwas geahnt hatte, wäre er nie zurückgekommen. Er drehte sich um und schaute mit gerunzelter Stirn aus dem Heckfenster.
„Warum wird die Einfahrt nicht bewacht … und warum zum Teufel steht die Schranke offen?“
„Das wirst du gleich sehen“, gab Macie zurück.
Langsam fuhr das Taxi die gewundene Einfahrt hinauf. Als die Villa in Sicht kam und Jonah das massive Polizeiaufgebot sah, wurde ihm klar, warum keine Notwendigkeit bestand, an der Einfahrt Wachen zu postieren. Hier würde kein Unbefugter hineinkommen. Eine Entführung war ein Verbrechen, das stets oberste Priorität hatte, und wenn der Enkel eines milliardenschweren Geschäftsmannes wie Declyn Blaine betroffen war, wollten alle, die etwas zu sagen hatten, mitmischen. Außer einer großen Anzahl von Streifenwagen standen überall Zivilfahrzeuge herum, mit denen die Leute vom FBI gekommen waren.
„Verdammt. Da fragt man sich, ob überhaupt noch irgendjemand in D. C. geblieben ist, um die Stellung zu halten.“
Macie drückte dem Fahrer ein paar Scheine in die Hand und stieg dann aus. Jonah nahm den Koffer entgegen, den der Taxifahrer aus dem Kofferraum geholt hatte, und folgte ihr zum Haus. Auf der Treppe wurde Macie von zwei uniformierten Polizisten angehalten, aber noch ehe sie dazu kam, sich auszuweisen, trat ein hoch aufgeschossener, schlaksiger Mann in einem blauen Anzug dazwischen.
„Das ist Mercedes Blaine“, sagte er knapp. „Lassen Sie sie durch.“
Macie erkannte in ihm den FBI-Agenten, der sich ihr gestern bereits kurz vorgestellt hatte.
„Agent Ruger, richtig?“
„Richtig, Ma’am“, bestätigte er. „In Zukunft möchte ich Sie bitten, mich zu informieren, wenn Sie die Stadt verlassen.“
„Ich hatte meine Gründe“, antwortete sie.
„Ist er der Grund?“ fragte Ruger und schaute auf Jonah.
„Na, so was. Ruger“, sagte Jonah. „Ist eine Weile her.“
„Ihr kennt euch?“ fragte Macie überrascht.
Jonah zuckte mit den Schultern.
Ruger nickte und fügte dann an Jonah gewandt hinzu: „Was zum Teufel machen Sie hier? Sie haben hier doch gar nichts zu suchen.“
„Jonah ist Evans Vater“, erklärte Macie.
Diesmal war es Ruger, der überrascht aussah. „Na, das ist ja ein Ding“, brummte er und starrte Jonah an, als ob er ihn noch nie gesehen hätte. „Ich wusste gar nicht, dass Sie ein Kind haben.“
„Ich auch nicht“, erwiderte Jonah schroff. „Was wissen Sie über die Entführung? Gibt es schon eine Lösegeldforderung?“
Ruger, der nicht wusste, wie er das eben Gehörte einordnen sollte, hätte gern noch ein bisschen nachgebohrt, aber Slades Gesichtsausdruck verriet ihm, dass er nicht mehr aus ihm herausbekommen würde.
„Wir wissen nicht viel, und eine Lösegeldforderung gibt es bisher nicht … aber damit war auch nicht zu rechnen. Die Nachricht, die die Entführer neben Miss Blaines Leiche zurückgelassen haben, weist eher darauf hin, dass es sich bei der Entführung um eine Art Racheakt handelt, aber bis jetzt haben wir noch nichts in Declyn Blaines Vergangenheit gefunden, was diesen Verdacht untermauern könnte.“
„Das werden Sie auch nicht, weil man sich an mir rächen will“, sagte
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