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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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herum. Die größte Anspannung war von ihm abgefallen, und das würde sich noch verbessern, wenn er Daedalus endlich begegnete.
    Doch seine Wut würde bleiben.
    Hier in der Stadt, wo so gut wie jedes Laster stillschweigend geduldet wurde, zog seine braune Mönchskutte noch mehr Aufmerksamkeit auf sich als in Shannon. Er brauchte Hilfe. Er hatte kein Geld und keine Ersatzkleidung. Er war vollkommen erschöpft, ein emotionales Wrack. Dank Daedalus hatte er schon seit Tagen weder schlafen noch essen können.
    Ein Taxi hielt am Bordstein und Marcel stieg ein. Er wollte zu Petra. Sie würde ihm helfen. So wie immer.

Kapitel 11
    Thais
    Am darauffolgenden Nachmittag fuhr ich den Camry in eine Parklücke vor unserem Haus und bremste, wobei ich leider vergaß, die Kupplung durchzutreten. Der Motor stotterte und erstarb mit einem letzten Würgen. Stöhnend drehte ich mich zu Clio, die ihr geduldiges Ich-hoffe-du-lernst-bald-fahren-Gesicht aufsetzte.
    »Tschuldigung.«
    »Schon okay.« Clio raffte ihre Sachen zusammen und öffnete die Tür. »Ich bin sicher, meine Nieren sind gleich wieder da, wo sie hingehören.«
    Ich lachte. »Also, so schlimm war’s auch nicht. Immerhin habe ich die Fahrprüfung bestanden.«
    »Mhm«, sagte sie, während sie das Eingangstor aufstieß.
    Ich deutete auf die Pflanzen. »Geht das denn nicht alles ein, wenn der Frost kommt?«, fragte ich.
    Clio setzte ein überlegenes Gesicht auf. »Gott, du bist echt ein totaler Yankee.«
    »Na, hier gibt’s doch Frost, oder nicht?«
    »Ja, so alle paar Jahre mal«, räumte Clio ein. »Komm, lass uns gucken, ob sie die hintere Haushälfte schon fertig haben.«
    Wir hatten die Reparaturen, soweit es ging, selbst vorgenommen. Nur für die Hauswand hatte Petra Fachleute angeheuert. Aufgrund des Regens hatten sich die Malerarbeiten verzögert, doch vielleicht waren die Handwerker heute fertig geworden.
    Wir gingen den schmalen Weg neben unserem Haus entlang. Ohne Vorwarnung blieb Clio plötzlich so abrupt stehen, dass ich direkt in sie hineinlief.
    »Was …«, begann ich, doch sie brachte mich mit einer entschiedenen Handbewegung zum Schweigen. Ich spähte ihr über die Schulter.
    »Da unten«, hauchte sie kaum hörbar. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können.
    Eine braune Schlange lag zusammengerollt vor uns auf den Steinplatten.
    »Ist die harmlos?«, fragte ich flüsternd.
    »Das ist eine Wassermokassinotter«, flüsterte Clio zurück.
    »Und das ist nicht gut?«
    Clio antwortete nicht. Der Kopf der Schlange wiegte sich hin und her, während sie sich langsam aufrichtete.
    »Sie greift an«, sagte Clio, ohne die Lippen zu bewegen. »Die ist giftig.«
    Ich schloss für einen Moment die Augen. Und dann, einfach so, kam mir eine magische Formel in den Sinn: »Schlange, Schwester, nimm nun Abschied. Geh heim zu deiner Brut. Unser Platz ist hier. Kehr um und bleib gesund. Wa-si, wa, lee, monschee.« Ich hatte keine Ahnung, was die letzten Worte bedeuteten, doch die Schlange hielt inne, als habe sie mich verstanden.
    Sie machte Anstalten davonzukriechen, als sie plötzlich noch einmal herumfuhr. Clio reagierte sofort und stieß mich nach hinten, um mich zu schützen. Die Schlange bäumte sich auf. Plötzlich erinnerte ich mich an meinen Alptraum, in dem sich ebenfalls so ein Vieh um meinen Hals geschlungen und mich beinahe erwürgt hatte. Das hier war zwar keine Boa, aber es war trotzdem immer noch schlimm genug.
    Clio wiederholte den Zauber, den ich gerade gesprochen hatte, samt der fremdartigen Laute am Ende. Dabei malte sie zwei mir unbekannte Sigillen in die Luft.
    Wieder hielt die Schlange in der Bewegung inne, und wieder wand sie sich aus der Erstarrung heraus, um weiter auf uns zuzukriechen. »Unser Zauber zeigt Wirkung, aber sie kämpft dagegen an«, sagte Clio.
    Ich hielt die Anspannung nicht mehr aus, streifte mir die Tasche von der Schulter und schleuderte sie über Clio hinweg auf die Schlange. Clio stieß ein unterdrücktes Kreischen aus und wich einen Schritt zurück. Meine Tasche traf die Schlange mit voller Wucht. Entschuldigung, sagte ich im Geiste. Entschuldigung.
    Immerhin schien das die Konzentration der Schlange auf den Nullpunkt gebracht zu haben. Sie starrte uns ein letztes Mal an, wandte sich ab und schlüpfte blitzschnell unter den Nachbarzaun.
    Ich hatte nicht gemerkt, dass ich den Atem angehalten hatte, bis ich ihn jetzt geräuschvoll ausstieß.
    Clio drehte sich zu mir um. »Eine Schlange auf unserem Grundstück

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