Eine Feder aus Stein
hatte ich wieder erkannt, andere nicht. Doch sie alle hatten mit Melitas Zauber zu tun …
»Clio?«
So viel zu meinem Gespür. Beim Klang von Nans Stimme zuckte ich zusammen und drehte mich um. Sie stand in der Tür zu meinem Zimmer.
»Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken.« Sie schien ein wenig amüsiert, dass ihr das überhaupt gelungen war.
»Ich arbeite an meinem Zauber für den Aufstiegsritus«, sagte ich und deutete auf mein Buch der Schatten und die Notizen, die überall im Raum verteilt herumlagen.
»In diesem Fall störe ich dich natürlich nur äußerst ungern«, sagte sie. »Aber könntest du mir einen Gefallen tun? Ich zeige Thais gerade ein paar einfache Zentrierungszauber und habe gemerkt, dass wir keine blauen Kerzen mehr haben. Die würden uns aber wirklich helfen.«
»Willst du, dass ich schnell im Botanika vorbeischaue?« Ich frohlockte bei dem Gedanken, hier rauszukommen.
»Würdest du das tun? Wenn du uns die Kerzen besorgst, können wir so lange weiterarbeiten, bis du wieder da bist.«
»Ja, okay«, sagte ich und schlüpfte in meine Schuhe mit dem Stummelabsatz. Ich ließ mir Zeit und hoffte, Nan würde nicht auf mich warten. Lächelnd lief sie die Treppe hinunter. Ich flitzte hinüber zu meinem Bett, schob alle meine Notizen ins Buch der Schatten zurück, belegte es mit einem Zauber und legte es wie zufällig auf meinen Schreibtisch, um einen harmlosen Eindruck zu erwecken. Ich nahm eine Seite, die mit unbekannten Symbolen beschrieben war, steckte sie in die Tasche meines Minirocks und lief dann eilig nach unten.
»Bin gleich zurück!«, rief ich, als ich das Arbeitszimmer durchquerte.
»Danke, Liebes«, sagte Nan. »Sei schön vorsichtig.«
»Alles klar.« Ich griff nach meinem Geldbeutel und den Autoschlüsseln und trat durch die Haustür in den Abend hinaus. Es war warm, aber nicht unangenehm, und ich war begeistert, für eine Weile an die Luft zu kommen. In letzter Zeit hatte mich unsere Aschenputtelarbeit ununterbrochen ans Haus gefesselt und zu allem Überfluss hatte ich noch nicht mal einen Freund. Wie erniedrigend. Ich meine, ich hatte immer einen an der Angel gehabt. Doch seit ich Luc getroffen hatte, galt das nicht mehr. Nein, seit diesem Super- GAU war ich alleine gewesen und hatte meiner Schwester erbärmlicherweise noch Dating-Ratschläge gegeben, während ich zu Hause gesessen hatte. Strickend. Na ja, okay, metaphorisch strickend.
Ich fuhr die Magazine Street zum Botanika hinunter. Drinnen besorgte ich mir erst mal einen Eiskaffee und betrat dann den Ladenbereich. Hier hatten sie die beste Auswahl an okkultistischen Büchern in ganz New Orleans, was schon etwas heißen wollte.
Als Erstes warf ich einen Blick in die Abteilung mit den Zauberbüchern. Ich fand ein paar Titel, die eigentlich noch ein bisschen zu schwer für mich waren, aber sogar die behandelten auch die Grundlagen, magische Formeln, die mir bestens vertraut waren: Das Ziehen eines magischen Kreises , Das Anrufen der Elemente , Die Beschreibung eines Zaubers und seiner Grenzen , Das Heraufbeschwören von Macht sowie Die Ausführung und Auflösung eines Zaubers . Alles bekannter Kram plus ein paar Varianten, darunter eine besonders interessante, die Naturgegebenheiten wie zum Beispiel die Mondphasen einbezog. Einiges davon wirkte vielleicht ein bisschen riskant, aber es gab nichts, was mir wirklich gefährlich, dunkel oder übermäßig mächtig erschienen wäre.
Ich sah mich um. Niemand beachtete mich. In der Buchabteilung gab es einen weiteren, abgetrennten Bereich, einen kurzen, dunklen Korridor voller Bücherregale. An einem Ende befand sich ein Notausgang. Eine goldene Kordel und ein Schild versperrten den Zugang vom Ladenbereich her. Aufgrund des heiklen Inhalts der Werke kein Zutritt für Minderjährige.
Ich schlüpfte unter der Kordel hindurch. Meine Augen gewöhnten sich rasch an das schummerige Licht.
Einige Regalreihen waren mit kleinen verblassten Papierschildchen versehen. Es gab nach Fachgebieten geordnete Sektionen für Biografien, Zauberbücher, Bücher der Schatten, Arbeitsmittel für Hexen, tantrische Kräfte und vieles mehr. Ein Titel hieß Biografie einer bösen Hexe. Interessiert riss ich die Augen auf. Doch erst musste ich sehen, was es hier sonst noch so gab. Beschwöre keine Gefahr herauf schien mir ziemlich abschreckend. Ansonsten gab es noch: Himmlische Omen, Persönliche Kraft, Der schmale Grat zwischen Licht und Dunkel sowie ein weiteres Buch mit dem schlichten
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