Eine Frage Der Groesse
Sexualforschung. So stellte auch die Sexualwissenschaftlerin Sabine zur Nieden in ihrer Dissertation fest: »Über Erlebnis- und Orgasmusstörungen bei Männern existiert vergleichsweise wenig Literatur, schaut man sich die unüberschaubare Menge an Literatur über Orgasmusstörungen bei Frauen an.« Insbesondere nach der Erlebnisqualität, also den emotionalen Erfahrungen, die über den rein körperlichen Samenerguss hinausgehen, werde bei Männern zu wenig gefragt. Und der bereits im vorangegangenen Kapitel zitierte dänische Wissenschaftsjournalist Tor Nørretranders stimmt zu: »Man kann feststellen, dass das, was an Wissen über männliches Orgasmuserleben zugänglich ist, keineswegs ausreicht. (…) Die Orgasmen der Frau dagegen sind ausführlich erforscht und diskutiert, sowohl in der Frauenbewegung wie in der Tageszeitung. (…) Der Hite-Report, die Emanzipationsbewegung und die Sexologen haben ihr Augenmerk auf Form und Qualität des weiblichen Orgasmus gerichtet. Was die männlichen Orgasmen angeht, herrscht Schweigen.«
Sind auch Männer zu multiplen Orgasmen in der Lage?
Die Fähigkeit, mehrmals hintereinander zu kommen, ist etwas, worum viele Männer Frauen beneiden. Dabei wird diese Fähigkeit mitunter überschätzt: Es ist ja nicht jede Frau multiorgasmisch – viele Frauen haben, wie bereits erwähnt, Schwierigkeiten, überhaupt zum Orgasmus zu gelangen. Umgekehrt gibt es sehr wohl auch multiple Orgasmen bei Männern. Davon konnte man schon Jahrtausende vor Christi Geburt in chinesischen Schriften lesen. Auch im Taoismus, der Tantra-Lehre, alten arabischen Texten und dem altindischen Kamasutra wird diese Fähigkeit erwähnt.
Die ersten modernen Wissenschaftler, die zu diesem Thema forschten, waren William Hartmann und Marilyn Fithian vom kalifornischen Center of Marital and Sexual Studies. Sie untersuchten die sexuellen Höhepunkte von 282 Männern: 33 dieser Versuchspersonen erwiesen sich als multiorgasmisch. Ein athletischer junger Mann schaffte sogar 16 Orgasmen innerhalb einer Stunde. Das mag ein Extremfall sein, aber auch die amerikanische Sexualforscherin Beverly Whipple berichtet in einer im Journal of Sex Education and Therapy veröffentlichten Studie über einen Mann, der ohne Erektionsverlust immerhin sechs Orgasmen in 36 Minuten hatte.
Und auch die Forschergruppe um Manfred Schedlowski von der Uniklinik Essen stieß bei einer Untersuchung auf einen ganz besonderen Probanden: Er kam innerhalb von zwei Minuten zweimal, ein dritter Orgasmus folgte kurz darauf. Als Grund stellten die Wissenschaftler schnell fest: Der Prolaktinspiegel des Orgasmuskünstlers blieb die ganze Zeit über auf Ausgangsniveau. Es ist aber die Veränderung dieses Spiegels, die bei Männern die sogenannte Refraktärphase einleitet, jene Zeitspanne, wo sie für erotische Reize völlig unempfindlich sind. Der von den Essener Forschern ausfindig gemachte Mann berichtete, er habe seine Refraktärphase durch Üben überwunden: Im Alter von 18 Jahren habe ihn sein früher Orgasmus gestört, so dass er trotz des danach entstehenden Sättigungsgefühls »einfach weitergemacht« habe. Auf diese Weise sei es ihm dauerhaft gelungen, sein Erregungsniveau nach dem Orgasmus zu halten.
Die amerikanischen Sexualforscher Marian Dunn und Jan Trost interviewten 21 Männer zwischen 25 und 69 Jahren, die alle berichteten, dass sie normalerweise, aber nicht immer zu multiplen Orgasmen fähig seien. (Multiple Orgasmen wurden in dieser Studie definiert als »zwei oder mehr Orgasmen mit oder ohne Ejakulation und ohne vollständigen Verlust der Erektion während ein und derselben sexuellen Begegnung«.) Die betreffenden Männer zeigten ihren Berichten zufolge unterschiedliche Muster: Einige ejakulierten bei ihrem ersten Höhepunkt und hatten danach trockene Orgasmen, andere hatten mehrere Höhepunkte ohne Ejakulation, um sich im finalen Höhepunkt schließlich zu ergießen. Wieder andere zeigten eine Mischform dieser beiden Extreme.
Den Sexualtherapeuten Hartmann und Fithian zufolge kann ein Weg, um als Mann zu Mehrfach-Orgasmen zu gelangen, in einer Beherrschung des PC-Muskels bestehen – das ist jener Muskel, der normalerweise den Urinfluss kontrolliert. Wenn man diesen Muskel durch tägliches Training stärkt, könne man sich auch Kontrolle über die Ejakulation verschaffen, indem man in dem Moment, wo man sich normalerweise ergießen würde, diesen Muskel für etwa 15 Sekunden anspannt. Das Ergebnis wäre ein Orgasmus im Kopf, aber
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