Eine Frage der Zeit
der Zwischenzeit versuchen, an weitere Informationen über diesen Rothaar und den Kunstraub zu kommen.“
„Geht klar, Chef. Ich sehe mir nachher auch gleich die alten Artikel über diesen Stürmer an.“
Edda Sahm hatte ihr kurzes Interview mit der Polizeipräsidentin abgeschlossen und gesellte sich zu den beiden: „Wer hätte das gedacht. Plötzlich ist die Stürmer-Sache wieder topaktuell. Und das mitten im Sommerloch.“
„Ist denn zwischen den ‚Kultsongs von gestern und den Megahits von heute’ noch genug Sendezeit übrig, um darüber zu berichten?“, fragte Velten und zitierte den Slogan des kommerziellen Senders?
„Blödmann“, fauchte sie und rauschte davon.
Susanne gab gerade dem Landesfernsehen ein Interview. Es würde also sicher noch eine Weile dauern, bis sie Zeit für ihn hatte. Velten zog sich in eine ruhige Ecke auf den weitläufigen Fluren des Polizeigebäudes zurück und nutzte die Zeit, um mit dem Chefredakteur zu telefonieren. Kreutzer sicherte ihm zu, Platz auf der ersten Seite der morgigen Ausgabe freizuräumen. „Und halten Sie die Geschichte ruhig ein paar Tage am Kochen, Velten. In den verdammten Sommerferien hätte uns gar nichts besseres passieren können als ein neues Kapitel in der alten Kunstraub-Sache.“
„Kein Problem, in der Geschichte steckt noch genug Stoff.“
„Wie macht sich die Neue ?“
„Sie ist gut. Ein bisschen übereifrig vielleicht, aber das waren wir in dem Alter ja alle.“
Kreutzer beendete das Gespräch und Velten machte sich auf den Weg zu Susannes Büro. Sie trafen sich vor der Tür.
„Irgendwie hatte ich schon damit gerechnet, dass du noch ein paar Fragen haben würdest“, empfing sie ihn. Sie ging vor ihm in ihr Arbeitszimmer.
Der Raum war nüchtern und zweckmäßig eingerichtet. Er kannte ihre Haltung, Beruf und Privates strikt voneinander zu trennen. Vielleicht war das eine Schutzreaktion, mit der sie verhindern wollte, dass ihre tägliche Konfrontation mit den Schattenseiten der menschlichen Natur Spuren an ihr hinterließ. An ihrem Arbeitsplatz gab es daher nicht den kleinsten persönlichen Gegenstand. Die Einrichtung beschränkte sich auf einen Schreibtisch, einen Bürostuhl, zwei Regalschränke und einen kleinen Besprechungstisch samt Stühlen. Der ganze Raum strahlte jene Eigenschaften aus, für die sie von ihren Vorgesetzten geschätzt und von ihren Kollegen respektiert wurde: Effizienz, Zielstrebigkeit und Professionalität. Nur wer ihr wirklich nahestand, wusste um ihren feinen Humor, ihre Hilfsbereitschaft und Empathie. Susanne deutete auf einen Stuhl in der Besprechungsecke.
Velten nahm Platz. „Da hat dir die Räder ja eine ziemliche Nuss zu knacken gegeben.“
„Das kannst du laut sagen. Der Reporter des Landesfernsehens hat es ja treffend auf den Punkt gebracht. Auf Barbara Räders schwarzer Liste der meistgehassten Journalisten ist er sicher einige Plätze aufgestiegen. Ich glaube aber nicht, dass er dich schon überholt hat.“
„Der Fisch stinkt vom Kopf, nicht wahr? Und wenn die Ermittlungen in einem Verbrechen mit zwei Toten und einer geraubten Bildersammlung im Wert von ein paar Millionen Euro in drei Jahren nicht vom Fleck kommen, liegt doch die Frage nahe, ob deine Chefin vielleicht die falschen oder zu wenige Leute mit der Sache betraut hat.“
Susanne seufzte: „Unter uns: dass die Ermittlungen nie eingestellt worden seien, wie Walter Pabst eben in der PK sagte, ist eine reichlich wohlwollende Formulierung. Die SoKo existiert faktisch seit gut einem Jahr nicht mehr. Tatsächlich sind die Kollegen, die den Fall untersuchten, von Anfang an auf der Stelle getreten. Und plötzlich wird dieser Rothaar ermordet und ich habe die Sache am Hals.“
„Und du wirst den Fall lösen, da bin ich ganz sicher. Die Lokalpresse wird dich jedenfalls nach Kräften unterstützen“
„Vielleicht war das ja ihr Hintergedanke, als die Räder mir die Leitung der Ermittlungen in diesem verfahrenen Fall übertragen hat. Sie weiß von deiner Beißhemmung gegenüber deiner Ex-Frau.“
Velten lachte und klappte seinen Block auf. „Lass uns zur Sache kommen. Es hatte doch damals ein paar heiße Spuren gegeben. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an diese SMS, die Stürmer am Tag seines Verschwindens an seine Freundin geschickt hatte. Wir hatten damals darüber berichtet.“
„Ja, ich habe mir vorhin noch einmal den Text angesehen.“ Sie reichte Velten einen Ausdruck mit den Kurznachrichten, die Stürmer am wahrscheinlich
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