Eine Frage der Zeit
„Das war keine Heldentat der Polizei. Er bestand darauf, dass die Rechnung zu einer anderen Lampe gehören müsse. Die Kollegen wollten das nachprüfen und ließen ihn erst einmal wieder laufen. Einen Tag später war er verschwunden. Es stellte sich dann heraus, dass die Lampe tatsächlich neu war und Stürmer seine Fingerabdrücke erst kurz vor oder während des Überfalls an ihr hinterlassen haben konnte. Er war also unser Hauptverdächtiger.“
„Was war mit diesem weiteren Komplizen, dem Angestellten von Landau“, fragte Velten.
„Thomas Schatz, damals sechsunddreißig Jahre alt. Er will am Morgen nach dem Mord den toten Landau gefunden und sofort die Polizei angerufen haben. Er war wegen Urkundenfälschung und Betrugs mehrfach vorbestraft. Landau hatte offenbar an das Gute im Menschen geglaubt und ihn als eine Art ‚Mädchen für alles’ eingestellt. Schatz war länger als ein Jahr lang für ihn tätig gewesen und hatte sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Nach dem Raub verschwand er etwa zeitgleich mit Stürmer. Wir vermuten, dass die beiden sich kennengelernt hatten, als Stürmer die Impressionisten restaurierte. Sie hatten die Tat vielleicht gemeinsam ausbaldowert. Schatz ist nie wieder aufgetaucht.“
Velten grübelte: „Wahrscheinlich lebt er an einem netten Ort, wo man es sich mit dem nötigen Kleingeld richtig gut gehen lassen kann.“
„Das ist natürlich denkbar. Aber so richtig können wir uns sein plötzliches Verschwinden nicht erklären, denn seine Freundin erwartete gerade ihr erstes Kind. Aber sein Verhalten gibt uns auch in anderer Hinsicht Rätsel auf. Thomas Schatz war bislang noch nie durch Gewaltanwendung aufgefallen. Auch die Sozialarbeiterin, die ihn im Gefängnis betreut hatte, beschrieb ihn als höflich und zurückhaltend. So ein brutaler Raubmord passte nicht zu ihm..“
„Lass uns wieder über Stürmer reden. Seine Überreste wurden einige Monate nach dem Mord an Landau von einem Pilzsammler im Pfälzerwald an einer völlig abgelegenen Stelle nahe der deutsch-französischen Grenze gefunden, wenn ich mich richtig erinnere.“
„Fast richtig. Pilzsammler sind out. Heutzutage werden Leichen von Geocachern entdeckt. Einer von denen fand die Leiche und rief anonym bei der Polizei an.“
„Geo... was?“
„Verzeihung, ich hätte wissen müssen, dass du mit dem Begriff nichts anfangen kannst“, stichelte sie. „Geocacher sind Leute, die mit GPS-Geräten in der Gegend herumlaufen und Gegenstände suchen, die andere deponiert haben. Es gibt eine ziemlich große Szene, die sich im Internet organisiert. Frag doch mal deine junge Kollegin, die kann es dir sicher erklären. Sie macht überhaupt einen ganz aufgeweckten Eindruck.“
„Sie stellt sich nicht allzu blöde an.“
Susanne lächelte: „Sie wird dir gut tun. Du bist ein wenig behäbig geworden. Wenn du mit einer jungen Frau Schritt halten musst, bringt dich das wieder auf Trab.“
„Seit meiner Scheidung fühle ich nicht mehr so gehetzt wie früher, das hat mit Behäbigkeit nichts zu tun.“
Sie trat ihm kräftig gegen das Schienbein. Velten jaulte in gespieltem Schmerz auf. „Aua. Ich verbitte mir diese zügellose Polizeigewalt. Unterstütze gefälligst die vierte Gewalt bei ihrer Recherche. Wie wurde Stürmer damals identifiziert? Nach Monaten im Wald wird er ja nicht mehr taufrisch ausgesehen haben.“
„Glaube mir, die Fotos von der Fundstelle willst du nicht sehen. Die Leiche war stark verwest und die heimische Fauna hatte sich auch schon reichlich an Stürmers Überresten bedient. Seine Zahnärztin..., „Susanne dachte kurz nach, “...eine Dr. Elke Volkmer aus Waldenthal, hatte ihn zum Glück erst kurz vor seinem Tod geröntgt. Anhand des Zahnstatus konnte ihn die Rechtsmedizin dann sehr schnell zweifelsfrei identifizieren
„Was wurde damals bei der Leiche gefunden?“
„Warte, ich kann es dir vorlesen.“ Sie fischte ein Blatt Papier von ihrem Schreibtisch: „Vordere linke Hosentasche: Autoschlüssel. Linke hintere Hosentasche: Geldbörse mit 22 Euro und 45 Cent, Kreditkarte auf den Namen ‚Alexander Stürmer’. Jacke, rechte Innentasche: Kugelschreiber aus Plastik.“
„Ich nehme an, die Schlüssel gehörten zu seinem Wagen.“
Susanne nickte: „Man fand seinen SUV am Parkplatz bei den Fischteichen in Eppenbrunn. Von dort führen Wanderwege in den Pfälzerwald, unter anderem zu den Altschlossfelsen und nach Frankreich hinüber.“ Sie schob ihm den Zettel mit der Auflistung von
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