Eine Frage der Zeit
eine Fahndung nach Linaud ein.“
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Katja kam im Kofferraum eines fahrenden Autos wieder zu sich. Ihr Kopf dröhnte und jedes Mal, wenn die Fahrt über ein Schlagloch führte, kam es ihr vor, als würde jemand mit einem Hammer gegen ihren Schädel schlagen. Es war stockdunkel und stickig. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Ein Lappen, den ihr Entführer ihr in den Mund gesteckt hatte, machte ihr das Atmen schwer. Panik stieg in ihr auf. Was hatte er mit ihr vor? Warum hatte er sie entführt? Sie zwang sich, ihre Angst zu unterdrücken. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Katja zerrte an ihren Fesseln, offenbar ein Klebeband oder etwas Ähnliches. Doch so sehr sie sich auch bemühte, sie bekam ihre Handgelenke nicht frei. Schließlich gab sie die sinnlosen Versuche auf.
Die Fahrt erschien ihr endlos und sie hatte längst jedes Zeitgefühl verloren. Dann wurde der Wagen endlich langsamer, schließlich erstarb der Motor. Die Autotür wurde geöffnet und mit einem Knall wieder zugeschlagen. Schritte näherten sich, dann öffnete ihr Entführer den Kofferraum. Das grelle Licht einer Neonröhre an der Garagendecke schien in Katjas Kopf förmlich zu explodieren. Gequält schloss sie die Auge, versuchte vergeblich den Kopf abzuwenden. „Endstation, Frau Marcks“, sagte die Stimme unter dem Licht. Es dauerte einige Sekunden, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Dann erkannte sie die markanten Gesichtszüge von Alexander Stürmer alias Eric Linaud. Sie war nicht überrascht und es wunderte sie auch nicht, dass sein lothringischer Akzent verschwunden war. Von dem Charme, den er noch vor wenigen Stunden in seiner Galerie versprüht hatte, war nichts geblieben. Schweiß stand ihm in dicken Tropfen auf der Stirn und in seinen Augen erkannte sie eine gefährliche Mischung aus Zorn und kalter Entschlossenheit.
Er zerrte sie grob aus dem Kofferraum. Katja stöhnte auf, als ihr Knie gegen etwas Hartes stieß. Stürmer kümmerte sich nicht darum. „Immer geradeaus“, forderte er sie auf und schob sie durch eine Tür in einen schmalen, mit allem möglichen Gerümpel vollgestellten Gang. Humpelnd stolperte sie vorwärts. Ihr Entführer lotste sie in einen kleinen Abstellraum. Eine nackte Glühbirne, die von der Decke baumelte, sorgte für spärliches Licht. Sie musste sich auf einen hölzernen Stuhl setzen, der zwischen anderen alten Möbeln an einer Wand stand. Erst jetzt bemerkte sie die blutende Wunde an ihrem Knie.
Stürmer betrachtete sie kalt: „Fühlen Sie sich wie zuhause. Ich werde gleich wieder zurück sein und mich um Sie kümmern.“ Er warf die Tür zu und Katja konnte hören, wie er einen Riegel vorschob. Seine Schritte entfernten sich. Sie war alleine. Zitternd saß sie auf dem klapprigen Stuhl und sah sich in ihrem muffigen Verlies um. Der Raum maß vielleicht vier mal fünf Meter und roch unangenehm nach feuchter Erde und Schimmel. In Kisten und uralten Schränken lagerte ein wildes Sammelsurium aus Autoersatzteilen, Gartengeräten und verrostetem Schrott. An der gegenüberliegenden Wand entdeckte sie mehrere Bilderrahmen, die in einem Regal lagen. Sie waren in Blisterfolie eingewickelt. Die Gemälde in den Rahmen konnte sie nicht erkennen, doch sie war sich sicher, dass es sich um einige von Konstantin Landaus Impressionisten handelte.
Katja hatte nicht die leiseste Ahnung, wohin Stürmer sie gebracht hatte. Das Haus war unverkennbar uralt. Mit Sicherheit war dies nicht das moderne Gebäude in der Saarbrücker Innenstadt, in dem sich die Galerie von Eric Linaud befand. Die Erkenntnis versetzte ihr einen Schock. Denn selbst wenn die Polizei oder Velten ihren Entführer identifizieren konnten, würden sie ihn hier sicher nicht suchen. War das ihr Ende? Würde sie in diesem dreckigen Loch sterben? Katjas Augen füllten sich mit Tränen, doch sie zwang sich, nicht aufzugeben.
In dem düsteren Keller schien die Zeit stillzustehen. Ab und zu konnte sie hören, wie Stürmer Treppen hinauf oder hinab stieg, schwere Gegenstände über den Boden schob oder Türen zuschlug. Sie wusste, dass er bald zurückkommen würde. Sie zerrte wieder an den Fesseln, doch sie ließen sich keinen Millimeter lockern. Katja versuchte, ihre Todesangst unter Kontrolle zu bringen. Immerhin war sie noch am Leben. Er hätte sie auch in ihrer Wohnung umbringen können. Irgendetwas hatte er noch mit ihr vor.
Schließlich hörte sie, wie er die Kellertreppe hinunterstieg. Sofort beschleunigte sich ihr
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