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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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mit Leib und Seele und konnte dieses außergewöhnliche Schaupiel der Natur nicht ignorieren. Er schlüpfte in seine Jacke, setzte eine Mütze auf und griff nach seiner Kamera.
    »Wann kommst du zurück?«, fragte sie.
    »Rechtzeitig«, erwiderte er.
    Sie sahen sich an. Honor wusste, er meinte, rechtzeitig zur Beisetzung. Sie nickte, dann küsste und umarmte sie ihn. Obwohl sie wusste, wie stark er war, verspürte sie den Wunsch, ihn zu beschützen, zu verhindern, dass er durch die Tür trat. Doch die Kunst war für ihn die einzige Möglichkeit, seine Trauer zu verarbeiten. Und das galt auch für sie. Sie würden ihr Leben fortsetzen müssen, auch wenn Tom Kelly, ihr bester Freund, gestorben war.
    Honor hielt die Tür auf, als John in die Kälte hinaustrat. Dann drehte sie sich um, kehrte in die Wärme ihrer Küche und in die Umarmung ihrer Töchter zurück.
     
    Während John ausschritt, machte er Fotos. Star of the Sea hatte bei einem Eissturm etwas Stilles und Zerbrechliches, als wäre es in einen hundertjährigen Schlaf versunken oder in einen gläsernen Sarg gebettet. Er ging zielstrebig zur Mauer und nahm sie von allen Seiten auf, aus verschiedenen Winkeln, hielt den Einfall des Lichts fest, die Eiskristalle, die das Gestein mit funkelnden Diamanten überzogen. John ging zu der Stelle, an der Tom und er die Kassette gefunden hatten – versteckt von Cormac Sullivan, Johns und Bernies Vorfahren.
    Sie hatte Schätze aus der irischen Vergangenheit der Familie enthalten, Zeichen der harten Arbeit als Steinmetze und des Wunsches, ein besseres Leben für die Menschen zu schaffen, die sie liebten. Für John hatte sie jedoch Schätze anderer Art enthalten – Erinnerungen, Ziele und Träume, die er mit einem Mann teilte, den er wie einen Bruder liebte.
    Als er mit weit ausholenden Schritten an der Mauer entlangging, spürte er, wie der Eisregen seinen Nacken durchnässte, gegen sein Gesicht prasselte. Er hob die Kamera, um auf den Auslöser zu drücken, doch dann hielt er inne. Das Wetter war bewegte Kunst. Er konnte ein Bild nach dem anderen aufnehmen, doch das Fotografieren lenkte ihn von sich selbst ab, von den Gefühlen für seinen Freund.
    Er nahm auf der Mauer Platz, als wäre es ein sonniger Morgen, ein der Jahreszeit entsprechender milder Oktobertag statt eines heftigen Eissturms. Und als säße Tom neben ihm.
    John blickte die Anhöhe hinab, über das Anwesen rund um die Academy – den Weinberg, in dem gerade die Lese stattgefunden hatte, die Gärten, in Rechtecken angelegt, die niedrigen Hügel, die zum Strand führten, wo der Sand bereits einen Großteil des Labyrinths bedeckte, eine Installation, die er letzten Monat geschaffen hatte. Tom hatte dafür gesorgt, dass hier alles wie am Schnürchen lief, während John in Irland im Gefängnis saß. Tom hatte dieses Fleckchen Erde geliebt, weil es seiner Familie gehört hatte, doch vor allem Bernies wegen.
    Gib gut auf sie acht.
    John hätte schwören mögen, dass er die Worte gehört hatte, klar und deutlich.
    »Das werde ich«, gelobte er laut. »Du weißt ja hoffentlich, was du mir damit aufbürdest. Auf meine Schwester achtzugeben ist genauso leicht, als würde ich versuchen, einen Wirbelwind zu bändigen.«
    Er konnte beinahe hören, wie Tom stillvergnügt in sich hineinlachte. Sie hatten im Lauf der Jahre oft darüber gesprochen, wie frustriert Tom über das Verhalten von Schwester Bernadette Ignatius war. Sie hatte nicht nur ihren eigenen Kopf, sondern war
starrköpfig.
Spirituell aufgeladen, mit einer Energie, die für zehn gereicht hätte, und einem direkten Draht zu keinem Geringeren als dem Herrgott persönlich, mit der Jungfrau Maria als Sprachrohr.
    Als er ein Krachen über sich hörte, dachte er einen Moment, es hätte gedonnert, doch es war ein Ast, der von einer nahe gelegenen Kiefer abbrach. John konnte die frische Wunde im Stamm ausmachen, rissig und der Witterung preisgegeben, während der Ast unheilvoll herabbaumelte. Er eilte hinüber. Cece hatte recht, Tom würde diesem Wetter nicht viel abgewinnen können.
    Als er an der Kiefer hinaufblickte und die von einer Eisschicht umhüllten Nadeln betrachtete, spürte John, wie ihn abermals eine Welle der Traurigkeit überkam. Tom hatte jeden einzelnen Baum auf dem Anwesen gekannt und geliebt, jede einzelne Kiefernnadel. Er hatte das Land mit Hingabe gehegt und gepflegt, ohne etwas anderes von Bernie zu verlangen als die Chance, ihr seine Liebe zu beweisen.
    Honor hatte recht, Tom wäre

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