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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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gegenüber am Schreibtisch Platz genommen und das Gespräch zwangsläufig mit angehört. Als Bernie aufgelegt hatte, hatte sie sich Honor zugewandt.
    »Ich wollte nur sichergehen, dass sie noch vor Beginn des Eissturms eintreffen.«
    »Wann landen sie denn?«
    »In zwei Stunden, laut Auskunft von Sixtus’ Sekretärin.«
    »Sollen John und ich sie am Flughafen abholen?«
    Bernie hatte den Kopf geschüttelt und sich Notizen auf dem Schreibblock gemacht. »Nein, das haben die Kellys schon alles erledigt. Chris hat den gesamten Transport organisiert.«
    »Was ist mit Seamus?«
    »Seamus …« Bei der Erwähnung seines Namens ließ Bernie den Stift fallen und schüttelte den Kopf.
    »Wie geht es ihm?«
    »Ich mache mir Sorgen, dass er das Weite sucht. Tom und Kathleen, beides zusammen ist schwer zu verkraften.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Er geht mir aus dem Weg. Tom war derjenige, der einen guten Draht zu ihm aufgebaut hat. Ich habe das Gefühl, dass Seamus mir kaum in die Augen schauen kann.«
    »Bernie.« Den Kummer ihrer Freundin mit anzusehen hatte ihr das Herz gebrochen. »Ich kann mir vorstellen, was in dir vorgeht – Seamus ist hier, während Tom …«
    »Tom hat es ermöglicht, dass er hier ist. Beide, Kathleen und er … O Gott, Honor.«
    »Bernie«, hatte Honor leise gesagt und die Hand ihrer Freundin ergriffen.
    Bernie schien aus sich herauszugehen, als sie von Seamus sprach, doch dann hatte sie sich wieder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen und den Kopf geschüttelt. Ihre Hand hatte sich steif und hölzern angefühlt.
    »Ich weiß, was du empfindest, Bernie. Bitte sprich mit mir …«
    Bernie hatte reglos dagesessen, wie erstarrt. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, voller Qual, als würde sie abermals vor sich sehen, wie Tom starb. Als sie merkte, dass Honor sie beobachtete, war sie zusammengezuckt.
    »Ach Bernie«, hatte Honor geseufzt, Tränen in den Augen.
    »Honor, bitte nicht.«
    »Er war auch mein Freund. Ich habe ihn wie einen Bruder geliebt. Und du bist Johns Schwester, meine Schwester. Bitte, Bernie, lass deine Gefühle zu …«
    »Wenn ich damit anfangen würde, könnte ich das, was jetzt auf uns zukommt, nicht durchstehen.« Bernie war unfähig gewesen, Honors Blick zu erwidern. »Bitte, Honor … lass mich erst einmal die Vorbereitungen treffen, dann sehen wir weiter.«
    »In Ordnung«, hatte Honor eingelenkt. Sie hatte Bernie genau beobachtet – die zusammengebissenen Zähne, den stocksteifen Oberkörper, die zitternden Hände, die Tränen, die in ihren Augen schimmerten. Sie hatte Verzweiflung darin entdeckt, mühsam verhalten, wie ein Vulkan, der jeden Moment auszubrechen drohte. Diese Gefühle zu unterdrücken erforderte übermenschliche Kraft, und die Anspannung machte sich in ihrem Gesicht und Körper bemerkbar.
    Honor kannte Bernies Einfühlsamkeit, ihre Fähigkeit, anderen Menschen in Zeiten des Kummers und Verlusts beizustehen. Doch angesichts dessen, dass ihre Freundin nun versuchte, den eigenen Kummer zu unterdrücken, hatte sie sich machtlos gefühlt. Das Beste, was sie für Bernie tun konnte, war vermutlich, sie gewähren zu lassen, sie den letzten Vorbereitungen für das Begräbnis des Mannes zu überlassen, den sie über alles geliebt hatte.
    Als Honor nun in der Küche stand, die Kaffeekanne mit Wasser füllte und die Kaffeemenge abmaß, betete sie um Kraft für Bernie, um den Tag durchzustehen. Sie drehte den Thermostat der Heizung auf und zog den Bademantel enger um sich. Der Temperatursturz war ungewöhnlich, es war viel zu kalt für die Jahreszeit, und der Tag schien grau in grau zu werden – in Einklang mit der Tragödie, die über ihre Familie hereingebrochen war.
    »Hallo, Mom.« Regis betrat die Küche.
    »Guten Morgen, Liebes. Wie hast du geschlafen?«
    »Nicht besonders gut.« Regis trug einen Pullover mit irischem Muster über ihrem gelben Nachthemd. Sie blickte sie mit hilflosen Augen an wie ein Kind, das einer Ermutigung bedurfte. Honor ging zu ihr und schloss sie in die Arme. »Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Regis. »Wir waren doch gerade noch mit ihm zusammen. Er hat sich so gefreut wegen Seamus und Kathleen … und weil Tante Bernie bei ihm war …«
    »Ich weiß, Liebes.«
    »Wie konnte das geschehen? Und
warum?
«
    »Das weiß niemand«, erwiderte Honor. Keine ihrer Töchter hatte sich auf diese Weise mit dem Tod auseinandersetzen müssen – bei einem Menschen im gleichen Alter wie ihre Eltern, der so energiegeladen, lebendig und

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