Eine Frage des Herzens
lauter beinharte Burschen«, erklärte Sixtus und häufte Spiegeleier mit Speck auf eine Scheibe gebutterten Toast.
»Oh, beinhart ist Tom nicht«, entgegnete Billy. »Ich habe gesehen, wie er klammheimlich einen Blick über den Platz in Richtung Rutland Fountain geworfen hat.«
Tom errötete, überrascht, dass es Billy aufgefallen war. Es stimmte, an der Geschichte des Merrion Square interessierte ihn am meisten der Springbrunnen, der 1791 für die Armen in Dublin erbaut worden war.
»Der kleine Junge mit dem großen Herzen, wie Bernie ihn einmal genannt hat«, stöhnte Sixtus. »Sie ist hoffnungslos romantisch, abgesehen davon, dass sie Nonne ist. Für den Rest der Menschheit bist du einfach ein bisschen übergeschnappt.«
»Ein großes Herz ist eine Sache«, erklärte Billy. »Ich hoffe nur, dass dir das Kelly-Herz erspart geblieben ist.«
»Jetzt hör aber auf«, meinte Sixtus. »Deine Bypass-Operation war doch ein voller Erfolg. Tom, achte während deines Besuchs bitte darauf, dass Billy jeden Morgen auf dem Laufband trainiert, ja?«
»Mal im Ernst, Billy, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Tom.
»Abgesehen von einem gebrochenen Herzen wegen meiner grausamen Brüder geht es mir hervorragend.«
Tom schüttelte lachend den Kopf. Da er in den Staaten lebte, war er nicht mehr an die Frotzeleien seiner irischen Cousins gewöhnt. Obwohl sie sich gegenseitig nur alle paar Jahre besuchten, machten die Begegnungen mit ihm und Chris Kelly und dem Rest der amerikanischen Verwandtschaft, die stets von Scherzen und Gelächter erfüllt waren – der typisch irische Humor mit seinen Ecken und Kanten –, einen nachhaltigen Eindruck auf ihn.
»Was führt euch eigentlich hierher?«, erkundigte sich Niall. »Dich und Schwester Bernadette.«
»Braucht sie inzwischen einen Leibwächter?«, fragte Billy. »Das wäre die einzige Erklärung, die Sinn macht. Was ist nur aus dem Ordensleben geworden, wenn man eine Nonne mit einem Typen wie dir den Atlantik überqueren lässt?«
»Oder überhaupt mit einem männlichen Wesen, nebenbei bemerkt«, meinte Niall. »Zu meiner Zeit waren solche Fraternisierungsversuche undenkbar.«
Sixtus gab dem Ober ein Zeichen, ihm Tee einzuschenken, und sah Tom mit blitzenden Augen an. »Ich glaube, Bernie ist gekommen, um mir zu der erstklassigen Leistung als Verteidiger von Regis Sullivan zu gratulieren. Mein Plädoyer war einsame Spitze. Ihr hättet sehen sollen, wie ich vor dem Richter …«
»Welcher hatte denn den Vorsitz?«, fragte Niall.
»Hanrahan«, sagte Sixtus, und Niall verdrehte die Augen. »Egal, es war ein Gedicht, wie ich Regis Sullivans Fall dargelegt habe. Sie ist keine Mörderin, ihr Vater ist kein Mörder, und Irland sollte sich schämen für das, was es dieser Familie angetan hat. Wenn John und Honor die Kellys sechs Jahre früher eingeschaltet hätten, wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Aber die gute Nachricht ist, dass Regis aus dem Schneider und der Rest der Familie wieder zu Hause ist.«
»Nochmals vielen Dank, Sixtus«, sagte Tom stellvertretend für Bernies Familie. Kaum zu glauben, dass sich ihre Wege erst vorgestern gekreuzt hatten, als Bernie und er am Flughafen von Dublin John, Honor und den Mädchen begegnet waren. Johns Heimkehr nach sechs Jahren Haft hatte in diesem Sommer eine Lawine von Ereignissen losgetreten, einschließlich Regis’ Erinnerung an den vermeintlichen Mord, und Tom und Bernie letztlich zu dieser Reise bewogen.
Sixtus nickte majestätisch und trank einen Schluck Tee. Seine Brust war stolzgeschwellt; genau wie Tom hielt er sich einiges auf seine Arbeit zugute. Toms Arbeit war lediglich anderer Art; er hatte auf das Kelly-Vermögen verzichtet, weil es ihn daran hinderte, zu den Wurzeln seiner Familie zurückzukehren, die für ihr Land gekämpft und die Felder bestellt hatte.
»Jetzt aber im Ernst«, sagte Sixtus. »Du wohnst bei Billy und Liza, und so kennen die beiden vermutlich den Grund. Aber verrate Niall und mir doch mal, was dich hierherführt.«
»Schwester Bernadette ist hier, um eine dringende Angelegenheit zu erledigen«, erwiderte Tom und präsentierte seinen Cousins die Antwort, auf die er sich mit Bernie geeinigt hatte. »Und ich fand, es sei viel zu lange her, seit meine Füße das letzte Mal Dubliner Boden berührt haben.«
Er bemühte sich, nicht auf seine Uhr zu blicken. Bernie hatte ihn vor einer Stunde angerufen und gesagt, ihr Gespräch mit Schwester Eleanor Marie werde unmittelbar nach dem Frühstück
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