Eine Frage des Herzens
stattfinden. Sie hoffte, die Informationen zu erhalten, die sie brauchten, um mit der Suche zu beginnen, und er hatte vorgeschlagen, sich in O’Malley’s Pub an der in Schlangenlinien verlaufenden Straße in St. Stephen’s Green zu treffen – einem ihrer bevorzugten Treffpunkte vor langer Zeit –, und zwar um elf Uhr, damit beide genug Zeit hatten, sich von ihren Verpflichtungen loszueisen.
»Was für eine Angelegenheit?« Sixtus’ Augen verengten sich.
»Hat es mit dem Konvent zu tun, mit dem Orden?«, fragte Niall.
»Oder mit Urgroßvater Kellys Land?« Sixtus kniff die Augen noch mehr zusammen.
»Das Land gehört nicht mehr den Kellys, sondern der Ordensgemeinschaft Notre Dame des Victoires und der Star of the Sea Academy.«
»Die reinste Verschwendung.« Sixtus schüttelte den Kopf. »Einen so prachtvollen Landsitz an eine Schar religiöser Asketen zu verschenken, die weder die Steinskulpturen noch den italienischen Marmor, geschweige denn die Parkettfußböden, die großen Glastüren, die Bronzestatuen, die Messingwaren oder die erstklassige Bibliothek zu schätzen wissen …«
»Ich glaube, die jungen Damen, die die Schule besuchen, wissen das alles sehr wohl zu schätzen«, entgegnete Tom. »Und die Nonnen vermutlich auch.«
»Ein solcher Grundbesitz am Long Island Sound würde ein nettes Sümmchen einbringen«, meinte Niall sinnend. »Wenn wir ihn verkaufen, teilen und Luxusvillen darauf errichten könnten – plus Golfplatz.«
»Teilen kommt nicht in Frage!«, warf Sixtus ein. »Ich würde es nie in fremde Hände geben. Ich kann mir vorstellen, wie unser Cousin Chrysogonus jedes Mal mit den Zähnen knirscht, wenn er in die Auffahrt einbiegt, um sich mit den rechtlichen Angelegenheiten des Ordens zu befassen, und sich wünscht, Francis X. hätte die Voraussicht gehabt, das Anwesen an seine Familie zu vererben. Das muss Chris maßlos ärgern. Wozu soll es gut sein, die erfolgreichste Familie in Connecticut zu werden, wenn keine Möglichkeit besteht, das beste Anwesen im ganzen Staat in ihren Besitz zu bringen?«
»Religiöse Ordensgemeinschaften zahlen keine Steuern«, sagte Billy düster. »Ihr solltet mal meinen jährlichen Steuerbescheid sehen.«
»Vielleicht solltest du gemeinsam mit Liza eine eigene Glaubensgemeinschaft gründen«, schlug Sixtus vor. »Du mit Kollar und die Mädchen mit einem schwarzen Schleier. Das dürfte dein Steuerproblem lösen.«
Billy winkte ab, doch Niall lachte angesichts der Vorstellung. Für Sixtus war die Zeit des Scherzens vorbei.
»Also, Tom. Wenn es nichts ist, was das Land betrifft, was führt Schwester Bernadette dann nach Dublin? Sie war in jungen Jahren hier, oder? Zur selben Zeit wie du, als du auf der Suche nach den Wurzeln der Familie warst, richtig?«
»Stimmt«, bestätigte Billy. »Das hatte ich ganz vergessen. Das Jahr, in dem du diese Wohnung am Liffey gemietet hast, wo dich niemand besuchen durfte. Wir dachten, du wärst hier, um der IRA beizutreten.«
»Woher wollen wir wissen, dass er das nicht gemacht hat, unser amerikanischer Cousin, der größte Revolutionär in unseren Reihen?«, gab Sixtus zu bedenken. »Unter dem Bann der Überlieferungen von Elend und Armut unserer Familie, von der Großen Hungersnot, dem Kampf gegen die herrschende Klasse, oder, Tom?«
»So ungefähr«, bestätigte Tom.
»Ich weiß nur, dass du dich damals ziemlich abgeschottet hast. Mit Bernie Sullivan. Die Familie dachte, ihr beide lebt zusammen – bis auf meine Mutter, die den Gedanken entrüstet von sich wies. ›Er würde niemals in Sünde leben, nicht Tom Kelly‹, sagte sie.«
»Isobel dachte, ihr beide wärt durchgebrannt und hättet heimlich geheiratet«, erinnerte sich Niall.
»Weit gefehlt«, sagte Tom. »Sie wollte mich nicht heiraten.«
»Habt ihr zusammengelebt?«, fragte Billy. »Komm schon, nach so langer Zeit kannst du es uns ruhig erzählen. Du hast niemanden von der Familie zu dir eingeladen, und das lag gewiss nicht daran, dass du uns den Anblick deiner Junggesellenbude ersparen wolltest. Wir waren damals alle Single!«
»Andererseits sah man euch beide ab einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt nicht mehr zusammen«, überlegte Niall laut. »Hat sie früher mit dir Schluss gemacht, als wir dachten? Ja, irgendwann haben wir Bernie überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen! Mutter lud sie ein, Weihnachten bei uns zu verbringen, doch sie gab den Nonnen den Vorzug. Schätze, sie wusste damals schon, dass sie ins Kloster gehen
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