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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Gesicht ablesen können. Er sah sie an, und ihr Anblick löste Alarmglocken in ihm aus.
    »Was ist passiert?«
    »Lass uns ins Krankenhaus fahren.«
    Sein Rücken versteifte sich. Er schaltete auf
Drive
und fuhr los. Wenn sie beschlossen hatte, etwas für sich zu behalten, brachte man kein Wort aus ihr heraus. So war sie schon immer gewesen. Er schüttelte den Kopf, wütend auf sich selbst. Hatte er ernsthaft geglaubt, sie würde heute Morgen aus dem Haus treten und ihm eröffnen, jetzt sei Schluss mit dem gottgeweihten Leben, dies sei die letzte Chance auf einen Neubeginn, und von jetzt an gehöre sie nur noch ihm? Er sah zu ihr hinüber, wie sie dasaß in ihrem Habit aus leichter schwarzer Wolle, stellte sie sich in Jeans und Pullover vor und seufzte.
    »Wie haben wir das nur geschafft, all die Jahre miteinander zu arbeiten?«, sagte er. »Es gab doch nie Probleme, zumindest keine vergleichbaren.«
    »Wir haben sie unter Verschluss gehalten. Und das werden wir wieder tun. Sobald das hier vorbei ist.«
    »Was heißt ›vorbei‹?«
    »Vorbei heißt, nachdem wir im Krankenhaus waren. Was immer wir in den Unterlagen finden werden oder auch nicht, damit endet unser Weg. Wenn wir die Information erhalten, gut. Wenn nicht, soll es wohl so sein. So oder so, wir fliegen nach Hause.«
    »Aha. Ist das so?«
    »Ja.«
    »Dein Wunsch sei mir Befehl, Schwester. Du bist der Boss.«
    Seine Bemerkung klang eher bestätigend als sarkastisch. Aber er war alles andere als überzeugt. Er spürte die Energie, die von ihr ausging, und wusste, dass sie weit davon entfernt war, Frieden mit der geschilderten Vorgehensweise zu schließen. Beunruhigt durch ihre Blässe und das Beben in ihrer Stimme, sah er erneut zu ihr hinüber und bemerkte, dass ihre Hände zitterten. Er kämpfte gegen den Drang an, sie zu ergreifen, seine Finger mit ihren zu verschränken und ihr zu versichern, dass alles gut werden würde.
    Sie fuhren am Fluss entlang, durch ein Industriegebiet und ein Wohnviertel, sahen das Gethsemani Hospital zwischen den Häusern aufragen. Die Backsteinfassade färbte sich rosarot, als die Wolken aufrissen und die Sonne durchbrach. Tom parkte den Wagen und wartete darauf, dass Bernie etwas sagte. Doch sie blieb stumm, und so stiegen sie aus.
    Sie betraten das Krankenhaus durch den Haupteingang, wie an dem Tag, als ihr Sohn geboren wurde. Tom warf Bernie einen verstohlenen Blick zu und fragte sich, ob sie das Gleiche dachte. Er erinnerte sich an den ersten gemeinsamen Aufenthalt in Irland. Sie hatte ihn begleitet, als er das Bedürfnis verspürt hatte, die Geschichte seiner Familie an ihren Wurzeln zu erforschen.
    Dublin war ihre Ausgangsbasis gewesen. Hier hatten sie sich auf Anhieb wohl gefühlt, hatten sich in die Stadt und die irische Lebensart verliebt. Die Kellys hatten sie wie erwartet mit offenen Armen empfangen – sie vielleicht ein wenig zu sehr vereinnahmt, denn im Verlauf ihres Aufenthalts wünschte sich Tom immer mehr, Bernie für sich alleine zu haben. Knapp dreißig Tage nach ihrer Ankunft in Irland hatte Tom gewusst, dass ein Tapetenwechsel angebracht war.
    Anfang Mai – der Marienmonat, wie Bernie ihm später erklärte – hatte er sie überredet, eine Auszeit von den Nachforschungen und der Familie zu nehmen, und sie waren in die Grafschaft Clare an der Westküste gereist. Sie hatten eine Frühstückspension in Doolin gefunden, einem kleinen Fischerdorf am Atlantik. Berühmt für seine traditionelle Musik, wirkte es wie verzaubert, ein Paradies, eigens für sie geschaffen.
    Die Unterkunft war preiswert. Sie hatten getrennte Zimmer auf derselben Etage. Wenn er sie vor ihre Tür begleitete, fühlte er sich jedes Mal innerlich zerrissen, aber er kämpfte gegen sein Verlangen. Statt zu tun, was er sich sehnlichst wünschte, hatten sie die Zeit damit verbracht, das gute Essen zu genießen, irische Musik zu hören, durch die schmalen Straßen zu schlendern und miteinander zu lachen.
    Sie hatten in der Pension Fahrräder ausgeliehen und die zerklüftete Küste erkundet, die spektakuläre und gespenstische Karstlandschaft des Burren. Sie fuhren über die Küstenstraße zu den Cliffs of Moher. Jung und gut in Form, waren sie gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang angekommen.
    Der Ausblick war atemberaubend. Die Klippen, mehr als zweihundert Meter hoch, ragten nahezu senkrecht aus dem Meer empor, die nackten Felswände schimmerten meilenweit im Sonnenlicht. Bernie hatte sich an ihn geschmiegt.
    »Ich kann nicht glauben,

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