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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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dass wir tatsächlich hier sind«, hatte sie geflüstert.
    »Ich bin glücklich, dass ich diesen Anblick mit dir zusammen genießen kann.«
    »Tom, denk an unsere Vorfahren, die hier standen und über das Meer in Richtung Amerika geblickt haben. Stell dir ihre Träume vor …«
    »Sie träumten von einem besseren Leben.« Er schlang die Arme um sie. »Von einer eigenen Familie und einer Liebe, die nie vergeht.«
    »Wie meine Liebe zu dir«, hatte sie gesagt.
    »Und meine zu dir, seit jeher«, hatte er erwidert.
    Sie hatten sich geküsst, zärtlich und voller Leidenschaft. Ihre Lippen hatten nach Salz geschmeckt, und er hatte gezittert, weil er nie zuvor etwas Ähnliches empfunden hatte. Die Arme umeinandergeschlungen, hatten sie den ausgetretenen Saumpfad verlassen und ein verborgenes Fleckchen mit hohem Seegras und Wildblumen entdeckt. Die Frühlingsluft in Irland war noch kalt. Eine kühle Brise wehte vom Wasser herüber, hielt die Touristen fern und bewirkte, dass sich Bernie und Tom aneinanderpressten, als sie sich in aller Eile ihrer Kleider entledigten, die nackte Haut erhitzt.
    Sie hatten ihr Kind auf dem Dach der Alten Welt gezeugt, wo sie ganz alleine waren. Am Rande der Klippen von Moher, an der Peripherie Irlands, mit Blick auf Amerika. Die Welt ringsum versank. Tom und Bernie waren eins, spürten, dass sie zusammengehörten, den Grundstein für eine neue Familie gelegt hatten.
    Der Sommer verging, und der Herbst. Und dann hatten gleich nach Beginn des neuen Jahres, nach allem, was in der Zwischenzeit geschehen war, bei Bernie die Wehen eingesetzt, Schlag auf Schlag. Sie betraten Neuland, heimtückischer als die Klippen an der Westküste Irlands. Er hatte sie gestützt, die Arme um sie geschlungen, und befürchtet, das Kind könnte kommen, bevor sie den Kreißsaal erreichten.
    Noch heute, viele Jahre später, sah er, als er an der Seite von Schwester Bernadette Ignatius das Krankenhaus betrat, ihre langen, roten Haare vor sich, die schmalen Schultern, den Bauch, der sich unter ihrem aufgeknöpften grünen Mantel wölbte. Er sah ihr Gesicht, schmerzverzerrt, jedoch voll auf das Geschehen konzentriert.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er nun, als sie in der Eingangshalle standen.
    »Ja«, antwortete sie. »Ich möchte es zumindest versuchen.«
    »Dann komm.« Ärzte, Besucher und Nonnen eilten an ihnen vorüber. Tom hatte damit gerechnet, dass Bernie eine von ihnen erkannte, doch sie waren ihr fremd. Sie gingen zur Rezeption. Er erkundigte sich nach dem Weg zum Verwaltungstrakt und wurde auf ein Stockwerk tiefer verwiesen. »Es befindet sich im Untergeschoss«, erklärte er Bernie.
    Sie nickte. Sie gingen zu den Fahrstühlen, doch als alle vier aufwärts fuhren, sah sie ihn an. Sie dachten das Gleiche, eilten zur Treppe und liefen zu Fuß nach unten.
    Sie kamen durch einen langen, olivgrün gestrichenen Korridor, erhellt von einer fluoreszierenden Deckenbeleuchtung. Als sie das Verwaltungsbüro erreichten, legte Bernie die Hand auf seinen Arm. Als sie ihn mit ihren großen blauen Augen ansah, wusste er, worum sie ihn bitten würde.
    »Vergiss es, Schwester«, sagte er.
    »Tom, ich bin überzeugt, dass es besser ist, wenn ich alleine hineingehe.«
    Er schüttelte den Kopf. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Musste er sie erst darauf hinweisen, wie schlimm das alles für ihn war? Merkte sie das nicht? »Ich musste dich schon alleine zu Eleanor Marie gehen lassen, Bernie. Aber hier begleite ich dich in die Höhle des Löwen. Er ist auch mein Sohn. Ich komme mit.«
    Sie blickte ihn an. Vielleicht glaubte sie, vor den Nonnen, die hier arbeiteten, das Gesicht wahren zu müssen oder ohne ihn überzeugender zu wirken, aber Tom war über den Punkt hinaus, einen Rückzieher zu machen.
    »Was ist, gehen wir hinein oder nicht?«, fragte er.
    »Aber ich übernehme das Reden.«
    Tom nickte, als er die schwere Tür für Bernie aufhielt und sie den Raum betraten. Ein hoher Empfangsschalter trennte einen kleinen Wartebereich vom Arbeitsbereich, in dem zwei Schreibtische standen. Hinter einem saß eine Nonne, ungefähr in Bernies Alter, über den Bildschirm eines Computers gebeugt. Eine zweite, jüngere Nonne hielt sich weiter hinten im Archiv auf, zwischen Gestellen mit Aktenordnern, die wie Regale in einer Bibliothek angeordnet waren, eine Reihe nach der anderen.
    »Entschuldigen Sie, Schwester«, sagte Tom.
    Bernie warf ihm einen durchdringenden finsteren Blick zu. Er überließ ihr das Kommando, als die ältere Nonne an den

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