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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Cousins sein.«
    »Tom und ich sind heute zum Abendessen bei ihnen eingeladen, aber ich kann nicht, ich muss immerzu an Seamus denken …«
    »Ich weiß, Bernie. Mir würde es genauso gehen. Du musst das tun, was du für richtig hältst, okay?«
    »Danke, Honor.«
    »So, und jetzt muss ich Schluss machen. Ich habe nur angerufen, um dir zu sagen, dass ich dich liebe – wir alle. Wir halten dir fest die Daumen, Bernie. Gib die Hoffnung nicht auf …«
    »Wir sind bald wieder zu Hause, Tom und ich.«
    »Sag Tom alles Liebe von uns.«
    »Mach ich.« Kaum hatte Bernie aufgelegt, läutete das Telefon erneut. Sie nahm ab und meldete sich.
    »Bernie.« Wieder eine Frauenstimme, dieses Mal mit irischem Akzent.
    »Annie?«
    »Ja, ich bin’s. Wie geht es dir?«
    »Ach Annie«, Bernies Stimme zitterte, »frag lieber nicht.«
    »Ich habe eine Überraschung für dich. Eine unerfreuliche, genau genommen.«
    »Ja?«
    »Jemand hat mich gebeten, ein Treffen mit dir zu arrangieren. Für ein Gespräch unter vier Augen. Streng vertraulich.«
    »Wer denn?«, fragte Bernie skeptisch.
    »Schwester Theodore. Ich musste ihr versprechen, Eleanor Marie kein Wort zu verraten. Sie will alleine mir dir reden, aber nicht im Konvent.«
    »Und worüber?« Bernie fühlte sich ausgebrannt.
    »Ich glaube, du solltest sie anhören«, sagte Schwester Anne-Marie. »Es klang so, als ginge es um etwas Wichtiges.«
    Bernie zögerte. Sie umklammerte den Hörer. Spärliches graues Licht fiel durch das große Fenster, brach durch die Regenwolken über Dublin, riffelte die Oberfläche des Flusses. Bernie hielt nach einem Silberstreifen Ausschau, doch im Augenblick war alles grau in grau.
    »Also gut. Wo?«
    »Das überlässt sie dir.«
    »Dann im St. Augustine’s. In dem Heim, ich dem mein Sohn seine Kindheit verbracht hat. Sag ihr, dass wir uns dort treffen.«
    Eine Stunde nachdem Bernie die Straßenkleidung abgelegt und den Habit wieder angezogen hatte – den sie all die Jahre getragen hatte, der sie innerlich und äußerlich definierte, sie an ihre Wahl erinnerte –, kniete sie vor dem Fenster nieder und betete um Erleuchtung. Den Habit auszuziehen war ein wohlüberlegter Entschluss gewesen, der mit der ersten Begegnung mit ihrem Sohn zu tun hatte. Und er hatte – auch wenn sie es sich ungern eingestand – mit Tom zu tun. Ihn wieder zu tragen war keine leichte Entscheidung, und sie betete, das Richtige zu tun. Sie bekreuzigte sich und verließ die Wohnung. In ihrem schwarzen Habit und Schleier eilte sie durch die Straßen der Stadt in nördliche Richtung.
    Ordensschwestern waren in Dublin kein ungewöhnlicher Anblick, aber eine Nonne, die mit grimmiger Miene den Gehsteig entlanghastete und aussah, als gälte es, in die Schlacht zu ziehen, veranlasste die Passanten, einen großen Bogen um sie zu machen.
    Als sie St. Augustine’s erreichte, erstarrte sie. Die Kinder, die bei ihrem Besuch mit Tom einen Ausflug an den Strand gemacht hatten, waren nun da. Sie hielten sich im Innenhof auf, spielten Basketball, malten mit Kreide auf den Asphalt, und zwei Kinder rempelten sich gegenseitig an, während eine Nonne versuchte, die Streithähne zu trennen.
    Sie hielt nach Schwester Anastasia Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Eine Büroangestellte – eine weltliche, kaum älter als Seamus – drückte ihr ein Formular in die Hand, das sie unterschreiben sollte. Da sie Angehörige des Ordens Notre Dame des Victoires war, verzichtete man darauf, ihr die sonst üblichen Fragen zu stellen. Man ging stillschweigend davon aus, dass sie einen Grund für ihren Besuch hatte. Bernie ließ den Blick über den Innenhof gleiten und fragte sich, was Seamus am liebsten gespielt hatte.
    »Schwester Bernadette.«
    Bernie war so abgelenkt, dass sie nicht reagierte. Sie beobachtete die Kinder, hörte sie miteinander reden, war mit ihren Gedanken bei Seamus.
    »Schwester Bernadette!«
    Dieses Mal reagierte sie. Sie drehte sich um und sah, wie sich Schwester Theodore mit schweren Schritten näherte. Sie war extrem übergewichtig, doch hier im Kinderheim, weit weg vom heimischen Revier des Konvents, wirkte sie beinahe zerbrechlich. Ihre wässrigen braunen Augen schweiften unruhig hin und her. Bernie sah, dass sie ihre Energie eingebüßt hatte, und hörte ihren pfeifenden Atem, als fiele ihr jeder Schritt schwer.
    »Schwester Theodore!«, rief sie, bestürzt über den Anblick der Nonne. Sie deutete auf eine Bank im Schatten am Rand des Spielplatzes und half ihr,

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