Eine französische Affäre
Eleganz ihrer Gäste und der Größe ihres Gefolges.
Erst als Madame de Goucourt und Canéda in dem komfortablen Speisezimmer ihr Mahl beendet und der Wirt sich unter vielen Verbeugungen verabschiedet hatte, sagte erstere: »Jetzt bist du also in Frankreich. Aber du hast mir noch immer nicht gesagt, warum wir in St.-Nazaire und nicht in Bordeaux von Bord gegangen sind. Wie du wohl weißt, sollten wir in diesem Augenblick an der Dordogne und nicht an der Loire sein.«
Canéda lächelte ein wenig, was Madame de Goucourt verriet, daß sie etwas ausheckte.
»Canéda, ich habe von Harry strengste Anweisung, gut auf dich aufzupassen«, sagte sie. »Du weißt genauso gut wie ich, daß er damit rechnet, daß wir nur kurze Zeit bei deinen Großeltern bleiben und dann nach Hause zurückkehren. Deshalb frage ich dich noch einmal: Warum sind wir hier?«
»Ich habe einen Plan, Madame, aber ich möchte nicht darüber reden, falls er mißlingt. Ich kann Sie nur bitten, mir nicht zu viele Fragen zu stellen. Lassen Sie mich meine Karten auf meine Weise spielen.«
Madame de Goucourt lachte. »Ich weiß genau, daß du etwas im Schilde führst, Canéda«, sagte sie, »aber weil ich dir dafür dankbar bin, daß du mich in mein geliebtes Heimatland mitgenommen hast und mich mit eleganten Kleidern verwöhnst, in denen ich meine Freunde und Verwandte blenden kann, wenn ich sie treffe, kann ich dich nur bitten, nichts Unpassendes zu tun.«
Canéda neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Es kommt darauf an, was Sie unpassend nennen, Madame«, erwiderte sie. »Soll ich sagen, daß ich der Gerechtigkeit Genüge tun werde statt zu warten, bis sie zufällig waltet?«
»O Canéda, Canéda«, rief Madame de Goucourt, »du machst mir Angst. Aber da ich müde bin, werde ich mich ins Bett zurückziehen, in der Hoffnung, daß ich morgen nicht Angst und Sorge ausstehen muß.«
»Sie werden weder Angst noch Sorge ausstehen müssen, Madame«, beruhigte Canéda sie. »Aber Sie sagten doch, daß Sie Freunde haben, die in der Nähe von Angers leben.«
»Ja, in der Tat«, erwiderte Madame de Goucourt, »ein paar alte Freunde, die wiederzusehen mich überaus glücklich machen würde. Sie sind nicht sehr reich und elegant, und deshalb könnte es sein, daß du sie ziemlich langweilig findest, aber ich kann nicht in diese Gegend kommen, ohne sie zu besuchen.«
»Genau das habe ich mir gedacht«, sagte Canéda zufrieden, »und ich verspreche Ihnen, daß Sie reichlich Zeit für Ihre Freunde haben werden, während ich bei meinen bin.«
Erst am nächsten Tag sagte Madame de Goucourt, während sie an der Loire entlang nach Angers reisten: »Ist dir klar, Canéda, daß du mir die Namen der Freunde, die du besuchen willst, nicht genannt hast?«
»Ich glaube nicht, daß Sie sie kennen würden«, antwortete Canéda, »und ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
»Aber natürlich«, erwiderte Madame de Goucourt.
»Erzählen Sie Ihren Freunden nicht zu viel von mir«, fuhr Canéda fort. »Es macht sie nur neugierig, und im Augenblick möchte ich nicht, daß hier jemand weiß, wer ich bin.«
Madame de Goucourt blickte sie höchst erstaunt an. »Willst du damit sagen, daß ich nicht erzählen soll, daß ich in Begleitung von Lady Canéda Lang hier bin?«
»Ich bitte Sie, meinen Namen nicht zu erwähnen«, rief Canéda. »Wenn Sie für die Kutsche und die Pferde eine Erklärung abgeben müssen, sagen Sie, daß ein reicher englischer Adeliger sie Ihnen geliehen hat. Niemanden wird das in Erstaunen versetzen, sondern jedermann wird annehmen, daß es sich um einen Verehrer handelt, der so großzügig gewesen ist.«
Madame de Goucourt mußte lachen. »Du jagst mir Angst ein! Du hast irgendeinen Streich vor, der deinen Bruder wütend auf mich macht.«
»Vertrauen Sie mir«, bat Canéda.
Obwohl Madame de Goucourt in sie drang, weigerte sie sich, weiterzureden oder zu erklären, welche Pläne sie für die Zukunft hatte.
Sie fuhren durch Angers und fanden ein paar Meilen außerhalb der Stadt einen entzückenden Gasthof, der am Nordufer der Loire lag.
Auch hier war der Besitzer von seinen Besucherinnen außerordentlich beeindruckt, und obwohl Canéda insgeheim fand, daß das Essen nicht so gut war wie am ersten Abend, waren doch alle so bemüht, sie zufriedenzustellen, daß sie beim besten Willen nichts bemängeln konnte.
Erst nachdem sie sich in ihren Schlafzimmern eingerichtet hatten, bat Canéda den Wirt: »Ich möchte meinen Diener Ben sehen, bevor ich zu
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