Eine französische Affäre
sterben!« weinte Canéda. »Bitte, Papa, sieh nach, ob du helfen kannst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dieses schöne Pferd stirbt.«
Da Gerald Lang nur zu gut wußte, was seine Tochter fühlte, gingen sie um das Zelt herum zum hinteren Eingang, während Juno aus dem Ring gezogen wurde und die Clowns sich anschickten, das Publikum von der Tragödie abzulenken.
Es standen ein oder zwei Stallknechte neben dem kleinen Mann, der die Stute geritten hatte, als Gerald Lang und Canéda zu ihnen traten, aber man sah auf den ersten Blick, daß keiner mehr etwas für die Stute tun konnte.
Juno war tot, weil ihr Herz, wie Gerald Lang richtig vermutete, versagt hatte.
Canéda ließ sich neben dem Pferd nieder, und dabei sah sie, daß der kleine Jockey, der es in seinem prächtigen Zirkuskostüm geritten hatte, auf der anderen Seite kniete.
Er weinte haltlos, die Tränen rannen ihm über das häßliche, faltige Gesicht, und seine Verzweiflung war so erschütternd wie das Schicksal des Pferdes.
»Es tut mir leid«, sagte Canéda leise.
»Sie war ein wundervolles Pferd.«
»Waren Sie lange mit ihr zusammen?« erkundigte sich Canéda.
»Zehn Jahre«, antwortete er. »Ich habe sie schon dressiert, als sie noch bei ihrem ersten Herrn war, und als er starb, hat er sie mir gegeben. Sie war mein Alles.«
»Ich weiß, wie Ihnen zumute ist«, sagte Canéda besänftigend, »und ich kann nichts dazu sagen, außer daß es mir für Sie leid tut.«
»Ich muß Ihnen etwas zeigen, Miss, wenn Sie mit mir kommen wollen«, sagte der Mann.
»Ja, natürlich«, stimmte Canéda zu.
Er richtete sich auf, und als sie sich ebenfalls aus ihrer gebückten Haltung erhob, sah sie ihren Vater neben sich stehen. »Er will uns etwas zeigen, Papa«, sagte sie und ließ ihre Hand in seine gleiten.
Gerald Lang nickte. Zusammen mit seiner Tochter folgte er dem Jockey zu einem schäbigen Zelt, in dem die Pferde, die im Zirkus arbeiteten, untergebracht waren.
Diese waren an ihre Pfosten gebunden, trugen aber noch die Federbüsche auf ihrem Kopf, weil sie beim Finale gebraucht wurden. Eine Box im Zelt war von den anderen getrennt; sie schien leer zu sein, und erst als der Jockey eintrat, sah Canéda, daß sich etwas darin bewegte.
Jetzt wurde ihr klar, warum er sie hierher geführt hatte. Er wollte ihr ein etwa sechs oder sieben Wochen altes Fohlen zeigen, dem man übrigens den guten Stammbaum ansah.
Als Canéda ihm den Nacken streichelte, stieß es sie mit der schwarzen Nase zärtlich an, und sie hörte ihren Vater sagen: »Was werden Sie denn jetzt machen?«
»Ich weiß nicht, Sir, und das ist die Wahrheit«, antwortete der kleine Mann. »Juno war sozusagen mein Lebensunterhalt. Es wird ein oder zwei Jahre dauern, bis ich etwas mit Ariel anfangen kann, und deshalb wird kaum ein Zirkus jetzt schon Interesse an ihm haben.«
Canéda richtete sich auf, trat an ihren Vater heran, legte ihm die Hand auf den Arm und sah mit flehenden Augen zu ihm auf. »Bitte, Papa.«
Noch während sie sprach, wußte sie, daß er Angst hatte, sie könnten es sich nicht leisten, und so sagte sie noch einmal: »Bitte.«
Gerald Lang war sich darüber klar, daß der alte Stallknecht, der sich seit seiner Heirat um seine Pferde gekümmert hatte, im Grunde nicht arbeitsfähig war und schon vor einer Ewigkeit in seinen wohlverdienten Ruhestand hätte geschickt werden müssen. Er war jedoch immer vor den Kosten, die mit der Einstellung eines jüngeren Mannes verbunden waren, zurückgeschreckt.
Aber er konnte es auch nicht ertragen, seiner Tochter ihre Bitte abzuschlagen. Er wußte, wieviel ihr das Fohlen bedeuten konnte, da sie nur wenige Freuden hatte, wenn Harry im Internat war.
»Was halten Sie von meinem Vorschlag«, sagte er zu dem kleinen Mann neben ihm, »daß Sie und Ariel vorübergehend in meinem Stall eine Bleibe finden? Sie hätten dann Zeit, über den Tod von Juno hinwegzukommen und über Ihre Zukunft nachzudenken.«
»Meinen Sie das im Ernst, Sir?«
»Es ist mein Ernst; wir erwarten Sie heute abend oder morgen früh.«
Der Ausdruck von Dankbarkeit und Erleichterung auf dem Gesicht des kleinen Mannes war ergreifend. »Mein Name ist Ben, Sir, und Ihre Freundlichkeit werde ich nie vergessen«, rief er.
Erst als sie auf dem Heimweg waren, fragte Canéda besorgt: »Meinst du, er kommt? Vielleicht will er lieber beim Zirkus bleiben?«
»Ich habe das Gefühl, daß er kommt«, antwortete ihr Vater.
»Ich habe dasselbe Gefühl. Ich werde mich um Ariel kümmern,
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