Eine französische Affäre
Bett gehe. Würden Sie so freundlich sein, nach ihm zu schicken?«
»Selbstverständlich, Madame«, erwiderte der Wirt.
Madame de Goucourt erhob sich von dem bequemen Sessel, in dem sie gesessen hatte. »Wenn du über Pferde reden willst, dann ziehe ich mich ins Bett zurück«, sagte sie. »Gespräche über Menschen genieße ich immer, aber an ausgedehnte Gespräche über das Wohlbefinden von Pferden kann ich mich einfach nicht gewöhnen.«
Canéda lachte. »Gehen Sie zu Bett, Madame, und schlafen Sie recht gut. Ihre Freunde sollen nicht denken, daß Sie gealtert sind, seitdem Sie sie das letzte Mal besucht haben.«
»Da es mindestens sechs Jahre her ist, seitdem ich sie zuletzt gesehen habe«, erwiderte Madame de Goucourt, »werden sie ohne Zweifel merken, daß sich um meine Augen ein paar neue Fältchen gebildet haben, und ich bin auch eindeutig dicker geworden, seitdem ich das letzte Mal hier war.«
»Unsinn!« erwiderte Canéda. »Sie sehen großartig aus.«
»Du schmeichelst mir, Kind«, sagte Madame de Goucourt befriedigt. Sie küßte Canéda und ging nach oben.
Canéda mußte nicht lange warten, bis es klopfte und Ben hereinkam.
Er sah in der Livree der Langstone-Diener mit den silbernen Wappenknöpfen und der blau-gelb gestreiften Weste außerordentlich schick aus. Er hielt den Hut in der Hand und wartete darauf, daß ihm Canéda Anweisungen gab.
»Geht es den Pferden gut, Ben?«
»Die Ställe sind in ordentlichem Zustand, Mylady. Ich habe den Knechten befohlen, sie auszumisten und frisches Stroh zu streuen.«
»Während wir hier sind, möchte ich, daß du etwas für mich tust, Ben. Ungefähr zwei Meilen von hier, auf der anderen Seite des Flusses, liegt das Schloß Saumac. Man hat mir immer erzählt, daß es auf einem Hügel steht; man kann es also schon von weitem sehen.«
Ben hörte zu, und Canéda fuhr fort: »Der Herzog von Saumac besitzt in der kleinen Stadt unterhalb des Schlosses eine Reitbahn. Von dieser weiß ich, daß einige schöne Gebäude damit verbunden sind, in denen die Kavallerieoffiziere wohnen, während ihre Pferde dressiert werden.«
Ben nickte.
Canéda fuhr fort: »In Nantes hat man mir erzählt, daß das Freigelände, auf dem die Pferde dressiert werden, von einer Mauer umgeben ist, aber ich möchte, daß du dich davon überzeugst. Du sollst auch alles, was du kannst, über den Herzog herausfinden – wann er auf der Reitbahn ist, wieviel Zeit er dort verbringt und wie wir uns ihm nähern können.«
»Ich verstehe, Mylady.«
»Wichtig ist, daß niemand wissen darf, wer du bist.«
»Sie meinen, daß ich nicht in Ihren Diensten stehe, Mylady?«
»Ich meine, daß du nichts weiter als ein interessierter Fremder sein sollst und auf keinen Fall meinen Namen erwähnen darfst. Außerdem, Ben, soll keiner von unseren Männern mit irgend jemand über mich sprechen.« Sie machte eine kleine Pause, um die Worte auf ihn wirken zu lassen. Dann sagte sie: »Wenn dich jemand fragt, dann stehst du in Madame de Goucourts Diensten. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja, Mylady.«
»Du hast mir erzählt, daß du Französisch verstehst, da du mit dem Zirkus durch Frankreich gereist bist.«
»Das ist wahr.«
»Ich will dir sagen, was ich vorhabe, sobald du meinen Auftrag ausgeführt hast. Aber vergiß nicht, wir sind auf jeden Fall Engländer und haben mit den Franzosen nichts zu tun.«
Auch wenn Ben jetzt nichts sagte, hatte Canéda das Gefühl, daß ihr Plan ein Streich nach seinem Herzen war. »Wie schnell kannst du mir die Informationen, die ich haben will, liefern?« wollte sie wissen.
»Ich werde beim ersten Morgengrauen nach Saumac reiten, Mylady. Wenn Sie beim Frühstück sitzen, werde ich Ihnen schon erzählen können, was Sie wissen möchten.«
»Vielen Dank, Ben«, erwiderte Canéda. »Was ich plane, könnte ich mit keinem andern als dir tun.«
»Ich möchte wetten, Mylady, daß Sie Seiner Lordschaft nicht erzählt haben, was Sie vorhaben«, meinte Ben.
»Ganz bestimmt nicht«, meinte Canéda. »Seine Lordschaft denkt, ich bin auf dem Weg nach Bordeaux.«
»Wir fahren aber dorthin, Mylady?«
»Später«, antwortete Canéda. »Zuerst nehmen wir Schloß Saumac in Angriff.« Als sie allein war, atmete sie erleichtert auf und sagte sich, daß alles bestens laufe.
Sie war nach Angers gekommen und würde auch in das Schloß kommen.
Was Madame de Goucourt ihr über den Herzog von Saumac erzählt hatte, machte ihr Vorhaben weniger einfach, als es zunächst den Anschein
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