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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Grabungen von Jakulevo besichtige, erklärte Elena Schnee.
    Ich verstehe, nickte ich, und wo soll gedreht werden?
    Natürlich in Jakulevo, sagte Elena Schnee, winkte dem Kellner und zahlte in Dollar. Ich habe bereits alles geregelt.
    An einem einzigen Vormittag hatte ich das Drehbuch durch, und ich muß sagen, es war echte Profiarbeit. In Los Angeles versteht man, worauf es ankommt, sie verwenden nicht mehr Attribute als nötig und angebracht, vermeiden überflüssige Verwicklungen, und die Wirkung bleibt nicht aus. Das Volk drängt sich an den Kassen, um anschließend weinend und glücklich und nach Popcorn riechend wieder seiner Wege zu gehen. Ich hätte das Heft auch gern meiner Frau, Lina Pirat, gegeben, doch die war zu diesem Zeitpunkt schon unauffindbar. Oder nein. Bestimmt war sie irgendwo, meiner Meinung nach war sie noch am Leben, wenn ich auch nicht wußte, an welchem Ort. Der Schriftsteller, den ich darstellen sollte, weicht bei den Grabungen von Jakulevo dem englischen Major nicht von der Seite und versucht zu schreiben. Thema seines Romans ist natürlich Jakulevo, seine zahllosen Höhlen, Spalten, Stollen, Wohnungen, Hügel und Brunnen, seine erschlossenen und unerschlossenen Gebiete. Hier recherchiert der Schriftsteller für den Roman, den er über Jakulevo verfassen will. Schließlich war das die einzige Rolle, die man für mich hatte. Gar nicht mal eine schlechte, zudem brauchte ich kaum moralische Bedenken zu haben, ich mußte ja nur mich selbst spielen. Also sagte ich der amerikanischen Filmregisseurin Elena Schnee zu, die mir sogleich die Hälfte meiner Gage auszahlte. In Dollar, versteht sich.
    Einige Tage später kamen mit großem Aufwand die Dreharbeiten in Gang. Mit einer Sondergenehmigung traf der Stab in Jakulevo ein, eine Unzahl nichtsnutziger, sich wichtig nehmender Filmritter, Maskenbildner, Requisiteure, Fundusleute und Packer, Beleuchter, Garderobiers und der Knabenliebe huldigende Kaffeeköche mit weicher Stirn. Die Gegend wurde noch immer bombardiert. Auch im Film kamen inszenierte Bombardements vor, und es war eine ziemlich vergnügliche Sache, die Wut, die Schmach und die Angst zu spielen, die wir eben noch selbst beim Auftauchen der echten Bomber empfunden hatten. Ehrlich gesagt, war es leichter, die Demütigung darzustellen, als sie in Wirklichkeit zu erleben. Über den Film als Ganzes hatte ich keinen Überblick, obwohl ich das Drehbuch zuvor gelesen hatte und ein Gefühl für den Rhythmus der Regie Elena Schnees entwickelte, denn ich beobachtete, wie sie mit den Schauspielern umging, wie sie, von einer plötzlichen Idee geleitet, von ihrer früheren Konzeption abwich, trotz alledem konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie der Film nach seiner Fertigstellung sein würde, obwohl ich einer seiner Akteure war, das war ich zweifellos. In den Drehpausen unterhielt ich mich oft mit den amerikanischen Filmrittern, nun schienen sie nicht mehr so dubios. Sie fragten mich natürlich in erster Linie über die Grabungen von Jakulevo aus, wie und auf welche Weise denn so etwas hatte geschehen, wie denn Jakulevo so unerhört groß hatte werden können, worauf ich gewöhnlich antwortete, daß Jakulevo deswegen ein so unerhört großes Gebilde ist, weil es sich nicht nur im Raum, das heißt in der Materie, die man Heimat nennt, in den Weizenfeldern, Bachbetten, Grabenböschungen, Hügeln, im Gestrüpp am Straßenrand, auf kalkweiß schimmernden Felsrücken und in Höhlensystemen ausdehnt, sondern auch in der Zeit, es drängt sich sozusagen in den Körper der Zeit hinein und wird selbst zu Zeit, Ausdehnung, zu ewiger Existenz. Wir tranken viel und regelmäßig. Wir hörten den Bombern zu, die Nacht für Nacht über uns hinwegflogen, irgendwann auch im Morgengrauen, und nicht nur einmal zerschnippelten sie am Vormittag das dünne Leinen des Himmels. An einem solchen Vormittag blieb mein Schwager Bogdan Pirat vor mir stehen, er arbeitete bei den Dreharbeiten als Dolmetscher von Elena Schnee und zückte immer seine Pistole, wenn der Himmel zu dröhnen begann. Mein Schwager sah mich lange prüfend an. Ich dachte, auch er würde mich nach Jakulevo fragen, wie es so viele während der Dreharbeiten getan hatten.
    Ach übrigens, begann Bogdan Pirat, was ist mit meiner kleinen Schwester, Schreiber.
    Ich war ein wenig überrascht. Nein, was sage ich – ich glaube, ich bekam einen furchtbaren Schreck. Die kleine Schwester von Bogdan Pirat hieß Lina Pirat, sie war Schauspielerin, in letzter

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