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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Glöckner. Vera Domitun jagte ich davon. Und mit der erstarrten Fliege auf meinem Mund bettelte ich Petre Domitun manchmal an, er möge doch auch mich ein klein wenig spielen lassen.

Elena Schnee
    Gestern brachte der Briefträger einen eingeschriebenen Brief von meinem Schwager Bogdan Pirat, in ein paar Tagen werde ein amerikanischer Regisseur zu uns kommen, und zwar nicht irgendeiner, sondern die weltberühmte Elena Schnee, die zuletzt beim Filmfestival in Cannes jenen denkwürdigen Skandal verursacht habe. Ich hatte keine Ahnung, auf was für einen Skandal mein Schwager anspielte. Ich wußte nicht einmal, wer Elena Schnee war, leider hatte ich keinen einzigen Film von ihr gesehen, obschon ihr Name mir bekannt vorkam.
    Schnee, Schnee, Elena Schnee.
    Eine Regisseurin aus Amerika.
    Hm, wir werden sehen, was das Schicksal bringt. Jedenfalls kann es nicht schaden, vorsichtig zu sein, soviel wußte ich auch schon. Bei den weiblichen Regisseuren muß man stets mehr aufpassen. Sie lächeln wie ein an Zahnschmerzen leidender Nebendarsteller, und dann bitten sie dich sanft, ach was, sie bitten gar nicht, sie befehlen mit leiser Stimme, jene Version des Drehbuchs umzuschreiben, die du für endgültig und fast perfekt erachtet hattest. In diesen Tagen beschäftigte ich mich mit dem Krieg. Dabei legte ich beträchtlichen Ehrgeiz an den Tag. Ich schrieb Kriegsdialoge und novellistische Szenen. Ich bin Schriftsteller, weil ich mich für einen Schriftsteller halte und auch andere mich seit geraumer Zeit dafür halten. Für das Carica-Ensemble verfasse ich Theaterstücke und dramatische Episoden, manchmal arbeite ich für die Ungarn oder die Rumänen. Gelegentlich schicke ich Ideen für Seifenopern in den Westen. Es ist eine gute und genußreiche Arbeit, und sie wird anständig bezahlt, sonst würde ich sie nicht machen.
    Es war also ein Brief von meinem Schwager Bogdan Pirat gekommen, und ein paar Tage später sandte mir Elena Schnee persönlich eine Nachricht. Ich habe keine Ahnung, woher sie wußte, daß ich schreibe. Elena Schnee bat mich, meine Meinung zum Krieg zu überdenken und möglichst aufrichtig und sachlich zu sein, wenn ich ihr meine Weltsicht erläutere. Daß sie das Wort Aufrichtigkeit gebrauchte, erstaunte mich. Ich glaube, ich habe tief geseufzt, als ich Elena Schnees druckfrisches Telegramm las. Schon seit langem war ich der Auffassung, daß es Wahrheit gewiß gibt, Aufrichtigkeit, nun ja, eher selten.
    Elena war eine große, schlanke Frau, und sie verströmte einen typisch amerikanischen Duft. Wer jemals ein Carepaket aus Amerika erhalten hat, weiß, wovon ich spreche. Es ist die süßliche Mischung aus Haselnuß, aromatischem Kaugummi und Billigkleidern, ein unvergeßlicher Duftcocktail. Ich erzählte ihr alles, was ich über den Krieg denke. Sie saß mit übergeschlagenen Beinen vor mir und trank Mineralwasser. Ein lauer Donauwind spielte mit ihren Locken. Auf dem Bulevard Revolucije hupten die Autos. Die Linden blühten. In den Parks öffneten sich die Tulpen, und das Gras, das Gras, das Gras. Elena Schnee war schön – und gut vorbereitet. Zum Beispiel kannte sie die Kriegsberichte von Jovanovič und Mihajlovič vom Isonzo. Delaks The slopes of Triglav liebe sie sehr, lächelte sie mich an, vor allem wegen der außergewöhnlichen Naturaufnahmen. Auch Slavicé, Das weiße Dunkel und Warte nicht auf den Mai habe sie sich angesehen, und sie sei ganz und gar nicht enttäuscht gewesen.
    Ich nickte, dann erklärte ich ihr meine Meinung über den Krieg.
    Ich sprach lange und äußerst umständlich.
    So denken Sie sich das also, fragte Elena Schnee, nachdem ich geendet hatte.
    Ich weiß nicht, was ich denke, sagte ich.
    Sie verstehe, seufzte Elena Schnee, was ich mit dieser einigermaßen weitschweifigen und nebulösen Argumentation bezwecke, doch sie könne mir nicht zustimmen. Das mache aber alles nichts. Mit einer fast ätherischen Bewegung schob sie mir das fertige Drehbuch hin. Sie habe mich für eine Rolle in dem Film vorgesehen, lächelte Elena Schnee, die Regisseurin aus Los Angeles. Der Held des Drehbuchs, ein englischer Major, übrigens eine reale Figur, geht durch die Infernos verschiedener Kriege und kämpft auch in der Fremdenlegion, Gegenwärtig kämpft er gegen Milenka Caricas Leute, eine Zeitlang sei er der international beauftragte Leiter der Grabungen von Jakulevo gewesen.
    Was für eine Rolle haben Sie für mich, fragte ich versonnen.
    Ich müßte einen bekannten Schriftsteller spielen, der die

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