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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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nach, sie sah prüfend zum Himmel, blinzelte in die Sonne, rupfte Gras, gab ihrer Ziege Kosenamen, und manchmal – auch das konnte ich sehen – berührte sie vorsichtig ihren Schoß.
    Ich fragte Julek Bambam, ob er wisse, daß der Glöckner regelmäßig die Dauer des Läutens verkürzt habe. Wenn es nur darum ginge, daß er ein-, zweimal weniger oft am Seil gezerrt habe, doch er habe das zur Messe oder zum Begräbnis rufende Glockengeläut um Minuten reduziert. In den letzten Monaten hatte sich das Mittagsläuten auf das hastige Gebimmel von ein paar Schlägen beschränkt, und das ärgerte mich außerordentlich, man könnte sagen, es erboste mich geradezu.
    Ob ich denn zu Ostern den Klang des Xylophons mag, fragte Julek Bambam träumerisch. Auch da hatte Domitun uns betrogen, denn er erlaubte nicht, daß wir, die Jungen, auf die Hölzer schlugen, er machte es allein, hielt dabei inne, verfiel ins Grübeln und dachte an etwas anderes, wer weiß, woran, vielleicht an das Glück, das er haben würde.
    Ich konnte tun, was ich wollte. Der Glöckner interessierte niemand mehr. Eine Fliege auf dem Mund, Aufruhr im Bauch. In meinen Träumen streichelte Vera Domitun ihre Ziege und gab ihr Kosenamen. Unterdessen sprach das ganze Dorf von der Lieferung aus Galizien. Wie man von dem Konvoi ein, zwei Kisten mit Spielautomaten abzweigen könnte. Wem würde das schon auffallen?
    Ob ich aber zum Beispiel wütend auf den Glöckner gewesen sei, löcherte mich Julek Bambam, während er sich auf meinen Zaun stützte, daß die Latten krachten.
    Ich lachte wie einer, der sterben will.
    Ich war nicht nur wütend auf ihn, ich haßte ihn regelrecht, denn wozu ist jemand Glöckner, wenn er nicht ordentlich zieht. Glockenläuten ist nicht wie graben, Pferde beschlagen oder Tote ankleiden. Wenn das Hufeisen nicht paßt, kannst du es am nächsten Tag in Ordnung bringen. Tudor Vasile bekam ein neues Hemd, nachdem Emil Constantin bemerkt hatte, daß jenes, in dem Vasile aufgebahrt war, ihm gehörte, sie hatten es ihm vom Leib gestohlen, als er besoffen neben dem Fahrradständer der Polizei eingeschlafen war. Einen Glockenton dagegen kann man nicht korrigieren. Wenn jemand nicht ordentlich läutet, begeht er eine Sünde, weil er den Himmel kaputtmacht. Doch wenn er anständig läutet, erfüllt er nur seine Pflicht, nichts weiter.
    Wo ich den Leichnam versteckt habe, fragte Julek Bambam lachend.
    Hab ich doch gesagt, daß er meinen teuren Petre umgebracht hat, schrie Vera Domitun zu uns herüber und blinzelte höchst seltsam. Ich sage ja nur. Der Blick der Glöcknerin war herausfordernd. Kokett! Ich wiederum antwortete mit lauter Stimme, Vera Domitun, hören Sie, die Scheiße unschuldiger Menschen wiegt schwerer! Ich kann nicht verheimlichen, wandte ich mich an den Polizisten, daß ich in der Umgebung noch drei weitere Glöcknersfrauen kenne, Terézia, Mária und eine aus Segedin, die Piroska heißt, drüben, hinter den Feldern. Und daß meiner Meinung nach unsere Vera die beste Glöcknersfrau ist, zugegeben, sie ist nicht mehr ganz jung, einen Seidenschal hat sie sich auch schon um den Hals geschlungen, aber ihre Formen hat sie immerhin noch, außerdem weidet eine Ziege auf ihrem Hof.
    Ich glaube, es war ein Sonntag, es regnete. Viele Leute redeten davon, daß sich Möbel bewegten, Lüster von selbst zu schaukeln begannen, die Schwellen einiger Häuser Risse bekommen hätten und die Türen sich nicht mehr schließen ließen. Weil ja die Lieferung aus Galizien naht. Es war Sonntag, und es nieselte.
    Was ist das für ein Fleck auf deinem Mund, schrie Vera Domitun herüber.
    Nur eine Fliege, antwortete ich vorsichtig.
    Gehört die da hin?
    Sie setzt sich manchmal auf meinen Mund, sagte ich, dort bleibt sie auch, wenn ich spreche. Es juckt ein bißchen. Außerdem spricht man ein wenig anders, aber ich habe mich dran gewöhnt, das sagte ich leise zu ihr. Julek Bambam stand unter dem Pflaumenbaum, seine hagere Gestalt krümmte sich geradezu, wie eine schwache Bohnenstange. In seinen Augen glomm ein fremdes, feindseliges Licht. Weder Grausamkeit noch Angst Er blickte drein wie ein Glücksspieler, wenn der Würfel vor ihm rollt und rollt.
    Die Lieferung raubte einigen den Verstand. Es gab eine Messerstecherei. Auch einen Ungarn haben sie erwischt, er kam nur davon, weil sein Mantel mit Gras gefüttert war. Diese Tage, diese Tage. Sie brachten nichts Gutes. Wenn das Verlangen verdirbt, hockt es sich vor die stumme und kalte Kirche wie ein Bettler.
    Ich

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