Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
den grünen, duftenden Klee, erzählte ich Erik Pišk, dessen Blick aufmerksam und gespannt war, und als mir alles zu zittern anfing, dort im Klee, hörte ich plötzlich, daß jemand in der Nähe weinte. Svetlana war es, die weinte, und vielleicht ist es wegen dieses Weinens, daß ich sie bräuchte, wenn ich sie bräuchte. Als sie so weinte, Erik Pišk, verzeih, aber davon wurde es gut für mich.
Das verstehe ich, wie sollte ich das nicht verstehen, murmelte Erik Pišk und öffnete eine Flasche Wein, auf deren Etikett ein Held namens Predrag Nagy prangte. Pišk zog den Korken mit den Zähnen heraus. Nichts hatte er verstanden, er hatte nur den Köder geschluckt. Wir tranken, als wären wir Freunde.
Übrigens ist es nichts Besonderes, erklärte Erik Pišk, wenn eine Frau weint. Frauen sind so. Sie sind dann in ihrem Element. Er kenne da zum Beispiel eine, erklärte er brummend, die mitten in der Nacht plötzlich zu schluchzen anfängt, die heult, als würde man sie prügeln, dabei träumt sie bloß. Ich solle mir nur vorstellen, daß es sogar Frauen gibt, die weinen, während man mit ihnen schläft, dabei spürt man genau, daß es gut für sie ist. Es ist gut, und ihre Tränen fließen in Strömen.
Das muß wirklich schön sein, nickte ich.
Und ob – der Tabak in Erik Pišks Pfeife glühte auf –, es ist wunderschön.
Na, und die Erzsébet, warum bräuchtest du die, wenn du sie bräuchtest, fragte er dann nach kurzem Schweigen.
Weil sie Ungarin war, sagte ich.
Und was ist, wenn sie Ungarin war?
Die sind nicht so, sagte ich.
Wie sind sie dann?!
Sie sind anders.
Erik Pišk, der seine Frauen zu Tode bestiegen hatte, lachte so heftig, daß der Totenkopf aufblitzte, der an seinen Gaumen geklebt war.
Na gut, sagte ich trotzig, einmal habe ich sie singen gehört. Diese Erzsébet, deine dritte Frau, hat einfach nur irgendein Liedchen vor sich hingeträllert. Das war vor Jahren, an die Melodie erinnere ich mich nicht mehr, nur daran, daß es gut war zu hören, wie sie dem Himmel ihre Stimme gab. Am Ufer der Theiß war das, in der Nähe des Buschwalds bei Seleic. Die Mücken stachen wie verrückt, sie aber sang nur. Und es wurde sehr gut für mich.
Erik Pišk lächelte immer noch, aber ich merkte, daß er unruhig war. Er zog Luft durch die Zähne. Balancierte einen Zahnstocher auf der Zungenspitze. Seufzte. Grummelte.
Na gut, brummte er, stimmt schon, es gibt Frauen, die in ihrem Leben sehr viel singen. Wenn sie aufstehen, singen sie. Wenn sie ins Bett gehen, singen sie. Sie singen in der Kirche, auf dem Friedhof, im Rathaus, sie stehen vor der Kneipe und singen, wenn ihnen der Mann wegbleibt. Er wisse sogar von einer Frau, die zu singen anfängt, sobald man sich auf sie legt.
Erik Pišk verstummte. Dann stand er plötzlich auf, als hätte ich ihn beleidigt. Sein Blick war zornig, erregt.
Na gut, wir reden schon noch miteinander, knurrte er und verließ die Kneipe, mit seinem starken Stiernacken zog er den dichten, grauen Schleier seiner Pfeife hinter sich her.
Die Tage vergingen, weil jemand sie verbrauchte. Sagen wir, nicht ich. Wer allein lebt, verbraucht nicht viel Zeit. Manchmal sah ich die neue Frau von Erik Pišk, die schwach war und schmächtig, aber nicht blutete und weder Tränen aus den Augen seufzte noch sang. Ich wußte nicht, wie sie hieß. Sie war nur eine Frau. Ein Schatten. Die Frau von Erik Pišk.
Das nächste Mal sprach er mich vor der Kirche an.
Wie ich das eigentlich machen wolle, fragte er. Weil seine Ehefrauen, Gott hab sie selig, alle im Gemeinschaftsgrab lägen, das wisse ich ja bestimmt, neben den Marmorgruften der Familien Nagy, Kramberger und Petrović. Ob ich zum Beispiel eine ausgraben wolle. Oder wie ich mir das eigentlich vorstelle?
Ich sagte, so würde ich mir das vorstellen, genau so, selbst wenn das etwas merkwürdig klinge, ich zahle auch, wenn nötig, wenn mir Erik Pišk eine von ihnen nicht schenkt, ich bezahle mit Deutschmark, und dann gehört die Frau mir. Meine Grabstelle habe ich auch schon gekauft, die habe ich im Rathaus mit Deutschmark bezahlt. Ich bringe Svetlana, Adriana oder Erzsébet in mein Grab hinüber und pflanze Blumen über ihrem Sarg. Allen werde ich erzählen, daß sie eine gute Frau gewesen ist. Mit ihrer Verwandtschaft söhne ich mich aus. An rauhreifbesetzten Wintertagen, in der Morgendämmerung, wenn man sich gar nicht vorstellen kann, daß es einmal hell wird, werde ich an sie denken, und meine Schultern werden zittern.
Das reichte Erik Pišk.
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