Eine Frau flieht vor einer Nachricht
haben sie keine solche Mahlzeit mehr gegessen, sagen sie mit vollem Mund und prahlen ein bisschen mit ihrer Sparsamkeit auf der Reise, wie geschickt sie ihren kleinen Etat einteilen, und Ora betrachtet sie freundlich, während sie so selbstbewusst reden und kräftig zulangen, und nur Avram sitzt etwas verloren dabei und findet seinen Platz zwischen ihnen nicht.
Das Gespräch kommt auf die lange Strecke, die beide, die aus dem Süden und die aus dem Norden Kommenden, bereits zurückgelegt haben, Ratschläge, brauchbare Information über Hindernisse und Überraschungen, die einen auf dem Weg erwarten, werden weitergegeben, und Ora denkt: Gut, dass sie auf den Zettel mit ihrer Entschuldigung, die sie ihm anstelle ihres Notizbuchs hinterließ, ihre Telefonnummer notiert hatte. Sollte er anrufen, könnte sie ihm seine Seiten aus ihrem Heft zukommen lassen. Auf welchem Weg auch immer.
Schließlich taut auch Avram auf, der Weg ist irgendwie doch auch sein Zuhause geworden, er spürt zu seiner Überraschung in sich etwas von dieser Wanderer-Kameradschaft, ein Gefühl der Verbundenheit mit Weggenossen, das er nie zuvor gekannt hat. Vielleicht erfreut auch ihn der gesunde Appetit der beiden Jugendlichen, dass sie quasi an seinem Tisch essen und ihnen das völlig normal vorkommt. War nicht ebendies der Lauf der Welt, dass mittellose junge Leute, die notgedrungen sparsam und spartanisch leben, sich ab und zu an der Großzügigkeit wohlhabender Erwachsener erfreuen, in diesem Fall eines netten, freundlichen Paares, das trotz Avrams weißer, flatternder Pumphose und seinem von einem Gummiband zusammengehaltenen Pferdeschwanz recht zivilisiert aussah – ein Mann und eine Frau, nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, sie hatten bestimmt schon große Kinder, vielleicht sogar Enkel, und sie nahmen sich eine Auszeit und erlebten ein kleines Abenteuer. Avram erzählt ihnen begeistert von dem steilen Aufstieg zum Tabor, den Stufen im Felsen, den Eisengeländern beim Aufstieg zum Arbel, er hat auch ein paar Ratschläge und Warnungenparat, doch wenn er etwas sagen will, kommt Ora ihm meistens zuvor und besteht darauf, die Geschichte selbst und sogar mit kleinen Übertreibungen zu erzählen, und plötzlich hat er den Eindruck, sie will ihm um jeden Preis zeigen, wie gut sie mit Jugendlichen umgehen kann, und er verlischt und betrachtet sie, wie sie sich ihnen gleichsam mit einem plump-vertraulichen Rippenstoß anbiedert, ihr ganzes Verhalten erscheint ihm so fremd und unpassend, bis ihm der Gedanke kommt, dass es sich vielleicht gegen ihn richtet, dass sie ihm noch immer böse ist, ohne dass er weiß, weshalb, und dass sie ihn merkwürdig provozierend aus diesem kleinen Kreis hinausdrängt, den sie um sich selbst und die Jugendlichen gezogen hat.
Und so zieht er sich in sein Inneres zurück, löscht das Licht und sitzt jetzt in sich selbst im Dunkeln.
Doch die Jugendlichen aus Tekoa bemerken gar nicht, welche Schlacht hier vor ihren Augen im Stillen geführt wird, und erzählen begeistert, was sie auf dem Israelweg bei Eilat alles gesehen haben, vom Sonnenuntergang im Nachal Zin und den Narzissen auf den Hügeln des Nachal Aschkelon bis zu den Hirschen in Ejn Avdat, und Ora erklärt ihnen, sie und Avram wollten den Weg erstmal nur bis Jerusalem machen; vielleicht machen wir später auch den südlichen Teil bis Eilat und Taba, und ihr Blick irrt irgendwo in die Ferne. Die Jugendlichen beklagen sich über die militärischen Feuerzonen im Negev, deretwegen der Weg statt durch Wadis und über Berge an Verkehrsstraßen entlangführt, und sie warnen Ora und Avram vor den Saluki-Hunden der Beduinen, »die haben Unmengen Hunde, passt da bloß gut auf euren auf«, und so plätschert das Gespräch, beginnt sich zu wiederholen, und plötzlich spürt Avram, dass etwas vor seinem Gesicht vorbeizieht, und als er den Kopf hebt, sieht er, es ist Ora, sie hat so einen gequälten, ziellosen Blick, ist überhaupt nicht hier, als bemerke sie in ihm plötzlich etwas Neues, was ihr sehr weh tut, und er hebt unwillkürlich die Hand, um sich einen Krümel oder irgendeinen Makel abzuwischen.
Bei dem Gespräch wird ihnen klar, dass Jerusalem noch etwa zehn Tagesstrecken entfernt ist, »Sie werden vielleicht ein bisschen länger brauchen«, vermuten die Jugendlichen und sind sofort bereit, es genau auszurechnen: Etwa zwei Tage von hier bis zum Meer, nach JasserA-Sarka; dann geht ihr zwei, allerhöchstens drei Tage am Strand entlang, bis Tel Aviv, wo der
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