Eine Frau mit Geheimnis
über den Weg getraut. Das mag erklären, warum Ihr Duke als Verbindungsoffizier fungiert, Alexandrow.“
„Mein Duke?“, rief sie. „Diesen Mann habe ich eben erst kennengelernt.“
„Aber Sie sind für ihn zuständig. Das hat Seine Majestät entschieden. Finden Sie alles über ihn heraus. Für Ihr Land. Haben Sie mich verstanden?“
„Gewiss, Major.“
„Gut.“ Er ging zur Tür, dann drehte er sich plötzlich um. „Weiß der Duke, dass Sie die englische Sprache beherrschen?“
„Nein. Jedes Mal, wenn englisch gesprochen wurde, trug ich eine verständnislose Miene zur Schau.“
„Oh, ausgezeichnet! Darum müssen Sie sich auch weiterhin bemühen. Ich erwarte täglich Ihren Bericht. Teilen Sie mir alles mit, selbst wenn es Ihnen trivial erscheint.“
„Ja, Major.“
Zufrieden verließ er das Zimmer.
Alex entspannte ihre verkrampften Schultern und holte tief Luft. Wann immer sie dem Hauptadjutanten begegnete, flatterten ihre Nerven. Der Zar hatte ihr versprochen, das Geheimnis ihrer Identität nur mit Wolkonskij zu teilen. Aber Zass stand ihm sehr nahe, und vielleicht wusste er …
Nein, solche Spekulationen waren sinnlos. Sie musste sich einfach so verhalten, als wäre sie tatsächlich Alexej Iwanowitsch Alexandrow, ein Offizier im Regiment der Mariupol-Husaren und derzeit ein Adjutant Seiner Majestät, mit der Aufgabe betraut, dem Duke of Calder möglichst viele Informationen über die Absichten der englischen Regierung zu entlocken.
Welch ein unangenehmer Auftrag … Alles in ihr drängte sie, diesem Mann zu vertrauen und ihm eine echte Freundschaft anzubieten. Doch das war unmöglich. Die Kälte ihrer Pflichten hüllte ihr Herz ein und vertrieb die Wärme, die darin entstanden war. Immer nur Pflichten! Gefühle gestattete man nur den Frauen!
Also hatte sich der Duke of Calder zum Spion erniedrigt. Das passte nicht zu seinem hohen Rang. Denn die Spionage war ein sehr schmutziges Geschäft.
Bei diesem Gedanken musste sie lachen. Auch sie steckte in diesem Geschäft drin, und zwar bis zum Hals.
„Seine Gnaden, der Duke of Calder, Sir.“ Nach einer tiefen Verbeugung verließ der Kellner den Salon des Hotels.
Zass trat vor und verneigte sich. „Euer Gnaden“, begann er in perfektem Französisch, „heute Abend haben wir nicht mit dem Vergnügen Ihrer Gesellschaft gerechnet.“
Lächelnd nickte Dominic dem Hauptadjutanten zu. Dann schaute er sich im Zimmer um. Die Hälfte von Zass’ Offizieren war anwesend. Aber Alexandrow ließ sich nicht blicken. Schade, der Junge war wirklich amüsant.
„Ich bin gekommen, um Seine Kaiserliche Majestät zu eskortieren.“ Keine Antwort. Dominic versuchte es noch einmal. „Zum Bankett Seiner Königlichen Hoheit, des Prinzregenten. Im Carlton House.“ Hier stimmte irgendetwas nicht. Die meisten Offiziere starrten ihre Stiefel an. Und Zass schaute Dominic nicht in die Augen. „Gibt es ein Problem, von dem ich nichts weiß, Major?“
„Nun …“ Zass strich sich über das Kinn. „Anscheinend wurden Sie nicht informiert, Euer Gnaden. Seine Kaiserliche Majestät beabsichtigt hier zu dinieren. Mit seiner Schwester, der Großherzogin von Oldenburg. Eigentlich dachte ich, man hätte den Zaren bereits beim Prinzregenten entschuldigt. Nach der langen Reise fühlt sich unser Herrscher etwas müde, Sie verstehen …“
„Natürlich, Monsieur.“ In Gedanken fluchte Dominic. Müde von der Reise, also wirklich! Der Zar strotzte geradezu vor Energie. Aber er weigerte sich ganz einfach, im Carlton House zu dinieren. Prinny war ohnehin schon wütend, weil sein hoher Gast nicht im St. James’s Palace wohnen wollte. Wenn er jetzt auch noch erfuhr, der Zar würde nicht an diesem üppigen Festmahl teilnehmen, würde er sich wahrscheinlich wieder in seinen kindischen Schmollwinkel zurückziehen.
„Vielen Dank, Sir, zweifellos wird der Zar Ihr Verständnis schätzen.“
Dominic nickte. So leicht ließ er sich nicht abservieren. „Leider muss ich erwähnen, dass Seiner Königlichen Hoheit keine Entschuldigung übermittelt wurde. Hat einer Ihrer Offiziere seine Pflicht vergessen?“
Sichtlich verlegen räusperte sich Zass.
„Falls mir der betreffende Offizier die Entschuldigung des Zaren mitteilen möchte, werde ich sie dem Prinzregenten ausrichten“, fuhr Dominic fort.
Zass rang mühsam nach Luft. In diesem Moment erschien Alexandrow. Anscheinend hatte er sich hinter größeren Männern versteckt. „Sir, es ist meine Schuld“, erklärte er. „Heute
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