Eine Frau mit Geheimnis
eitlen Prinzregenten zuzutrauen. Aber Blücher wusste die Ehre offensichtlich zu schätzen, denn er küsste die Hand Seiner Königlichen Hoheit, bevor er aufstand.
„Warten Sie hier!“, schrie Dominic in Alexandrows Ohr, um das Geschrei zu übertönen. „Ich möchte den Adjutanten des Prinzregenten mitteilen, die Pläne des Zaren hätten sich geändert.“
„Aber wenn ich mich entschuldigen soll …“
„Nicht nötig“, unterbrach Dominic den Jungen, fest entschlossen, sein Gewissen zu entlasten, „das übernehme ich.“
„Nein, das geht nicht …“
Dominic wartete den Protest des Russen nicht ab, denn er wollte die Information möglichst schnell weiterleiten und danach diesem Zirkus entfliehen. Mochte Prinny den ganzen Aufruhr auch genießen – für gewöhnliche Sterbliche würden sich die nächsten Wochen zu einer einzigen Tortur entwickeln.
4. KAPITEL
Als Dominic den russischen Offizier in die Halle von Aikenhead-House führte, kam ihnen der Butler entgegen, verneigte sich und nahm ihnen die Hüte ab. „Soeben ist Lord Leo eingetroffen, Euer Gnaden, und ich glaube, er sitzt in der Bibliothek.“
„Sehr gut, danke, Withering.“ Dann fuhr Dominic auf Französisch fort: „Kommen Sie, Alexej Iwanowitsch, ich möchte Sie mit meinem Bruder bekannt machen. Eigentlich hatte ich ihn nicht erwartet.“
„Vielleicht konnte er der Lockung der Londoner Festivitäten nicht widerstehen?“
„Daran zweifle ich. Schicken Sie uns den besten Madeira, Withering.“
„Euer Gnaden, das ist bereits geschehen, denn Lord Leo …“
„Natürlich.“ Dominic lachte. „Das hätte ich mir denken können. Wann immer mein Bruder mich besucht, verfügt er ungeniert über meinen Weinkeller.“
Der Butler öffnete die Doppeltür der Bibliothek. Grinsend erhob sich ein Mann aus einem Ledersessel. „Ah, Dominic! Ich hatte nicht vermutet, dich heute Abend zu sehen, weil ich annahm, der Prinzregent würde bis zum Morgengrauen feiern.“
„Mit anderen Worten, du hast gehofft, du könntest stundenlang meinen Madeira in dich hineinschütten.“
„Allerdings.“ Die Brauen erhoben, musterte Leo den Begleiter seines Bruders.
„Verzeihen Sie meine schlechten Manieren, Alexandrow“, bat Dominic auf Französisch. „Ich werde Sie miteinander bekannt machen. Leo, das ist Capitaine Alexej Iwanowitsch Alexandrow, ein Adjutant Seiner Majestät, des Zaren Alexander. – Hauptmann Alexandrow, dies ist mein Bruder, Lord Leo Aikenhead.“
Die beiden Männer verneigten sich voreinander und tauschten einige Höflichkeitsfloskeln aus.
„Erstaunlich, dass Sie schon am frühen Abend von Ihren Pflichten entbunden wurden, Capitaine“, bemerkte Leo in seinem akzentfreien Französisch. „Oder trifft das gar nicht zu?“
„Doch, bis morgen früh habe ich frei. Heute Abend braucht mich Seine Kaiserliche Majestät nicht mehr. Er diniert mit der Großherzogin. Wenn er vor dem Frühstück ausreitet, wie es seiner Gewohnheit entspricht, werde ich ihn begleiten.“
„Dann werden Sie jetzt keinen Alkohol trinken, nicht wahr? Schade, ich würde Ihnen gern einen der besten Tropfen meines Bruders anbieten – und Sie unter den Tisch trinken.“
„Nun, ich …“
„Nehmen Sie’s ihm nicht übel, Alexej Iwanowitsch“, mischte Dominic sich hastig ein. „Leo ist unverbesserlich.“
„Glauben Sie mir“, erwiderte der junge Russe lächelnd, „meine Kameraden muten mir viel schlimmere Hänseleien zu. Aber wie ich betonen muss – ich trinke nur sehr selten Alkohol.“
Verblüfft runzelte Leo die Stirn, war jedoch zu höflich, um einen Kommentar abzugeben. Hingegen war Dominic nicht überrascht. Er hielt Alexandrow für einen bewundernswerten jungen Soldaten, und er bedauerte, dass sie auf verschiedenen Seiten standen, denn er würde ihn gern seinen Freund nennen. Obwohl er den Russen erst seit Kurzem kannte, hatte er seinen Charakter bereits beurteilt. Dieser Mann würde sich niemals irgendwelchen Gepflogenheiten anpassen, die ihm missfielen. Und es wäre gewiss ein Fehler, ihn zu unterschätzen.
Alex stellte ihr halb leeres Glas beiseite. Normalerweise trank sie sehr wenig Wein, meistens nur bei einer Mahlzeit, so wie jetzt. Heute Abend fühlte sie sich versucht eine Ausnahme zu machen und etwas mehr von dem hervorragenden Madeira des Duke zu genießen. Doch sie wagte es nicht, schon gar nicht in der Gesellschaft dieser beiden scharfsinnigen Brüder.
„Noch ein Schluck Wein, Alexej Iwanowitsch schlug der Duke vor.
Lächelnd
Weitere Kostenlose Bücher