Eine Frau sein ist kein Sport
und der Freund redet und redet, aber man hört bloß mit halbem Ohr hin, denn Herz und Hirn sind noch bei Hans und Grete.
Man überlegt, was die beiden wohl gerade machen. Haben sie sich versöhnt? Oder ist er ins Ausland gegangen? Oder hat sie sich vielleicht doch umgebracht?
Der alte Freund merkt, dass ihm keine ungeteilte Anteilnahme und Aufmerksamkeit zuteil wird, sagt, dass er nicht länger stören will, und erhebt sich. Man schaut auf die Uhr, stellt fest, dass der Film noch laufen muss, setzt also der Aufbruchsdrohung kaum Widerstand entgegen, geleitet den Freund ins Vorzimmer, stopft ihn hurtig in Hut und Mantel und öffnet die Tür.
Kaum ist sie ins Schloß gefallen, wieselt man ins Wohnzimmer zurück, schaltet wieder ein und sieht den Abspann abrollen.
Man erfährt, wer den Film geschnitten hat, wer der Beleuchter war, wer Regie geführt hat. Was aus dem Hans und der Grete geworden ist, wird man nie mehr erfahren!
Weh wird einem ums Gemüt! Man setzt sich hin, trinkt den Wein aus, den der alte Freund stehengelassen hat, und überlegt, was denn nun eigentlich der alte Freund so dahergeredet hat?
Ach ja, mit seiner Frau war irgend was! Streit hat er mit ihr gehabt! Na ja, sagt man sich, das Theater ist ja nicht ernst zu nehmen! Das geht ja seit zehn Jahren so! Das kennt man ja schließlich! Das ist ja nicht neu bei denen!
Neues gibt es nur in Filmen, bei Hans und Grete! Dort tut sich was!
Nur außerhäuslich!
Manche Ehepaare tragen ehelichen Zwist ausschließlich unter den sprichwörtlichen »vier Augen« aus und gehen dabei angeblich so dezent vor, dass nicht einmal die Kinder im Nebenzimmer etwas vom elterlichen Hader mitbekommen. Manche Ehepaare hinwieder toben dermaßen laut durch die Wohnung, dass die Kinder unters Bett flüchten und die Nachbarn überlegen, ob die Funkstreife zu alarmieren sei. Und manche Ehepaare belästigen die »eigenen vier Wände« nie mit Ehestreit. Den tragen sie nämlich lieber bei guten Freunden aus!
Es wäre wohl eine Unterstellung, zu behaupten, dass sie extra zum Streiten auf Besuch gehen. Es ergibt sich halt bloß so, dass sie an unserem Nachtmahltisch in Streit geraten.
Möglicherweise ergibt sich das deshalb, weil die lieben Gäste meinen, in den Gastgebern Verbündete zu haben. Üblicherweise erwartet sich der Besuchs-Herr vom Hausherrn Zustimmung, und die Besuchs-Dame erhofft sich Beistand von der Hausfrau.
Natürlich wäre es nun vernünftig, sowohl Zustimmung als auch Beistand zu verweigern und sich in gar keiner Weise in diesen Streit einzumischen, aber die Besuchs-Streiter zanken sich ja nicht wegen Problemen, die uns sehr fern liegen und uns kalt lassen. Ihr ehelicher Konfliktstoff ist meistens unserem eigenen sehr ähnlich. Wie soll die Gastgeberin gelassen und ruhig bleiben, wenn der liebe Gast seiner Frau zuzischt: »Wegen der bisschen Hausarbeit brauchst du doch nicht so ein Theater machen!«?
Wie soll der Gastgeber ruhig und gelassen bleiben, wenn die liebe Gästin ihrem Mann zukeift: »Tagtäglich kann ich allein schon hinter dir zwei Stunden herräumen!«?
Da muss man einfach Stellung beziehen! Ist ja wahr! Ist ja typisch! Typisch Mann! Typisch Frau! Und ganz wie vorgestern bei uns! Und schon hat das außerhäusliche Streit-Paar die zwei gewünschten Sekundanten gefunden, und – hast du’s nicht gesehen – streiten nicht bloß zwei, sondern vier Menschen, zäh und verbittert, kreuz und quer.
Irgendwann bricht dann der liebe Besuch auf, aber die Gastgeber streiten weiter. Sie keift: »Eh klar, dass du ihn verteidigst, bist ja aus dem gleichen Holz!«
Er zischt: »Na klaro, dass du ihr recht gibst, jammerst ja auch immer über jeden Handgriff!«
Und der liebe Besuch, der liegt zu diesem Zeitpunkt schon daheim im Bettchen, hält Händchen und murmelt einander friedlich zu: »Na, die zwei haben sich heut ganz schön angefaucht, gegen die sind wir ja wahre Lämmer!«
Keine Umstände machen Umstände
Von all den Besuchern, die bei uns für kurze oder auch längere Zeit weilen, sind mir die der größte Horror, die »unter gar keinen Umständen Umstände machen wollen«.
Zu einer Tasse Kaffee sind diese Leute nur bereit, wenn er nicht »extra« für sie aufgebraut wird, denn sie sind ja so bescheiden, dass sie dem Gastgeber nicht die Umstände eines minimalen Arbeitsvorganges zumuten wollen.
In der Praxis allerdings heißt das dann, dass der Gastgeber, auch wenn er gar nicht mag, Kaffee trinken muss, um den bescheidenen Besuch zum Mittrinken
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