Eine Frau sein ist kein Sport
zum Beispiel einer – wie man so schön sagt – aus dem »Nichts« sein Geschäft aufgebaut, hält es hübsch florierend, verliert nie die Nerven und den Humor, hat auch noch andere Talente, wie die Fähigkeiten, Uhren zu reparieren, Regale zu basteln, weiß sogar, wie man Geld anlegen muss, dass es mehr Zinsen als üblich trägt, versteht es, weiße mit roten Rosen zu kreuzen, und kann singen, dass jeder Popstar vor Neid erblassen müsste.
»Der kann einfach alles!« sagt man sich. »Der muss mit sich sehr zufrieden sein!«
Und dann, sei es nach dem Genuss von zu viel Rotwein oder einfach in einer mitteilsamen Stunde, sagt dieser Mensch, dass seine Talente gar keine seien, dass sie ihn zumindest nicht zufriedenstellen.
Seine ganze Sehnsucht, seit Kindertagen schon, gehöre dem Fliegen! Pilot möchte er sein! Düsenjets hoch über den Wolken zu chauffieren, das wäre die richtige Berufsarbeit für ihn! Für einen Hungerlohn würde er die ausführen und trotzdem glücklich sein.
Fast jede Nacht, gesteht er, träume er sich fliegend und sei beim Aufwachen bitter enttäuscht.
Ich kenne auch einen Mann, dessen unerfüllte Sehnsucht ist es, mit sechs Bällen jonglieren zu können. Manchmal übt er sogar mit drei Tennisbällen, und sein Hund, hat mir seine Frau erzählt, holt die entsprungenen Bälle dann freudig unter diversen Möbelstücken hervor. Seine Frau behauptet, ihr Mann würde glattweg seinen guten Job samt Aufstiegschancen sausen lassen, hätte er endlich den Trick mit den sechs Bällen heraus.
Das ängstigt die Frau etwas, denn sie sieht sich lieber als Ehefrau eines Abteilungsleiters mit Vorzimmerdame denn als Flitter-Bikini-Girl im Tingeltangel, das dem Jongleur das Hand-werkszeug reicht.
Die Dame sollte sich nicht ängstigen. Träume sind nicht dazu da, Wirklichkeit zu werden. Besonders nicht die luftigen, duftigen, Erdgebundenheit und Schwerkraft verleugnenden vom Fliegen, Schweben und Springen. Sie machen uns nur das Leben ein bisschen leichter, auf dass wir, seelisch gut gepolstert mit ihnen, strebsam und erfolgreich unseren sehr realen Jobs nachgehen können.
»Warum sagt mir keiner was?«
In vielen Familien – auch in der meinen – gibt es Schwierigkeiten bei der verbalen Kontaktaufnahme.
Man fragt – zum Beispiel – ein zeitunglesendes Familienmitglied: »Was soll ich kochen?« Das Familienmitglied reagiert, als wäre es taub geboren und dieser Schaden nie behoben worden.
Da man genau weiß, dass dem nicht so ist, wiederholt man in doppelter Lautstärke. Da blickt der Mensch von der Zeitung hoch und starrt einen an. Man wiederholt also noch einmal und fügt hinzu: »Bist du taub?« Da murmelt der Mensch, bevor er wieder in die Zeitung schaut: »Ich hab’ eh mit den Schultern gezuckt!«
Andere Familienmitglieder sind nicht so mundfaul, haben aber auch das Bedürfnis, einen Fragen wiederholen zu lassen. Egal, was – und wie laut – gefragt wird, sie fragen erst einmal retour. »Wie bitte?« und »Was hast gesagt?« oder schlicht: »Hhhh?« Dabei haben sie die Frage gut verstanden; was klar wird, wenn man sie nicht wiederholt. Dann antworten sie nämlich doch.
Doch nicht nur als Frager, auch als Gefragter kann man verzweifeln. Bei mir zu Hause ist einer, der sagt – zum Beispiel – zu mir: »Da fällt mir ein, ich wollte dich bitten, ob du mir ...« Ist er in dieser Bitte soweit fortgeschritten, geht er aus dem Raum und setzt im Nebenraum fort: »... vielleicht morgen, wenn du Zeit hättest ...«
Was ich morgen, wenn ich Zeit hätte, für den lieben Menschen tun sollte, erfahre ich nicht mehr, weil der gute Mensch redend ins Badezimmer wandert, von wo nur mehr dumpfes Gemurmel zu mir dringt. Da der gute Mensch die akustischen Verhältnisse der Wohnung kennt, ist zu vermuten: Er fände es schön, wenn ich wie der Flocki hinter ihm hereilte, um seine Botschaften zu erhaschen!
Und echt mysteriös ist das ungehörte Verhallen von wesentlichen Mitteilungen, die man gemacht hat. Man hat einem Familienmitglied – und man entsinnt sich noch genau seiner kopfnickenden Kenntnisnahme – erzählt, dass die Elfi Mutter wird, dass Rudis Auto kaputt ist, dass der Edi in Pension geht und Hugo geerbt hat.
Tage später dann kommt dieses Familienmitglied nach Hause und sagt, eben habe es erfahren, dass Elfi Mutter werde, Rudi kein Auto mehr habe, Onkel Edi in Pension gehe und Hugo toll geerbt habe! Ganz vergrämt ist es dann, dass man das alles schon weiß, und beleidigt murmelt es: »Und warum
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