Eine Frau zum Heiraten
gehört. Ich weiß nur, dass sie in letzter Zeit viel unterwegs gewesen ist. Wusstest du eigentlich, dass Onkel Tim sie um Rat gefragt hat, weil er ein neues Firmenimage entwerfen will? Tante Irene hat es mir erzählt.”
Claire hatte ihr eine unverbindliche Antwort gegeben, denn ihr war nur zu bewusst gewesen, dass sie Irene in letzter Zeit aus dem Weg gegangen war. Ihre scharfsichtige und vor allem scharf
züngige
Schwägerin hätte nämlich leicht den Schutzwall zerstören können, den sie um sich aufzurichten versuchte.
Mach dir nichts vor, sagte Claire sich nun. Du kannst dich vor deinem Liebeskummer nicht schützen und auch nicht davor weglaufen. Selbst wenn sie es tagsüber schaffte, nicht an Alex zu denken, so träumte sie ständig von ihm. Sie wusste inzwischen gar nicht mehr, wie oft sie nachts mit Tränen in den Augen aufgewacht war, weil sie sich so nach ihm sehnte.
“Gut, dass ich nicht die Letzte bin.”
Claire lächelte, als sie Star auf sich zukommen sah.
“Ist Poppy noch nicht da?”
Claire schüttelte den Kopf. “Aber sie kommt. Ich habe vor ein paar Tagen mit ihr telefoniert.”
“Ja, schon möglich, aber wenn der Klatsch stimmt, dann wird sie nicht …” Star verstummte, denn in diesem Moment betrat Poppy den Wintergarten.
Wenn Poppy sich tatsächlich in einen anderen Mann verliebt hat, sieht man es ihr jedenfalls nicht an, dachte Claire mitfühlend, als sie Poppy anlächelte. Sie wirkte sogar noch schmaler und unglücklicher als auf der Hochzeit.
Während Claire auf den freien Stuhl neben sich klopfte, betrachtete sie Poppy unauffällig.
Poppy hatte offenbar abgenommen und wirkte außerdem furchtbar nervös. Obwohl außer ihnen niemand im Wintergarten war, warf sie einen Blick über die Schulter, als sie sich setzte, und begrüßte sie auffallend leise.
“Ich weiß nicht, wie es euch geht”, verkündete Star schließlich, während sie zur Speisekarte griff, “aber ich bin hungrig und möchte unsere ersten drei ehefreien Monate gebührend feiern. Bei mir waren sie es zumindest – ehe- und männerfrei.” Fragend schaute sie von Claire zu Poppy. “Habt ihr …?”
“Ich habe nicht vor zu heiraten”, erklärte Claire schnell und kreuzte im Geiste die Finger, weil sie zugeben musste, dass sie im Fall der Fälle nicht in der Lage wäre, im Sinne ihrer Abmachung zu handeln.
“Ich auch nicht”, meinte Poppy. Sie war jedoch errötet, und Claire hätte schwören können, dass sie Tränen in ihren Augen gesehen hatte.
Die Arme! Hatte es den Grund, dass sie Chris immer noch liebte, oder war es wegen eines anderen Mannes?
Während sie so tat, als würde sie die Speisekarte studieren, schickte Claire ein Stoßgebet zum Himmel, dass Poppy bald genauso glücklich sein würde wie die meisten anderen Frauen in ihrem Alter.
Dabei wurde Claire bewusst, wie sehr sie sich verändert hatte, seit sie Alex kannte. Noch vor drei Monaten hätte sie diesen Wunsch nicht so tief empfunden, weil sie zu dem Zeitpunkt noch nicht geahnt hatte, was ihnen entging … was wahre seelische und sexuelle Erfüllung bedeutete.
Nachdem sie dieses Gefühl – wenn auch nur vorübergehend – erfahren hatte, wünschte sie Poppy und Star dasselbe.
Sie war davon überzeugt, dass jede Frau das Bedürfnis hatte, im privaten Bereich Erfüllung zu finden, selbst wenn sie in den Augen ihrer Mitmenschen noch so stark und erfolgreich war.
Das, so vermutete Claire, war wohl die größte Schwäche der Frauen … und vielleicht auch ihre größte Stärke.
“Auf uns und unsere Freiheit!”, verkündete Star, nachdem der Kellner das Essen serviert hatte und wieder gegangen war.
Pflichtbewusst hob Claire ihr Glas, um den beiden zuzuprosten. Als sie daran nippte, merkte sie jedoch, dass ihre Lippen bebten, weil Alex’ Bild plötzlich erschreckend deutlich vor ihrem geistigen Auge aufgetaucht war.
Sie wusste, dass sie seine Lippen fast auf ihren spüren konnte, wenn sie jetzt die Augen schloss. Nun musste sie die aufsteigenden Tränen unterdrücken.
Wenn sie doch nur in der Lage gewesen wäre, die Erinnerungen an ihn auszulöschen – die Erinnerungen daran, wie es gewesen war, ihn zu lieben und mit ihm zu schlafen. Wenn sie doch nur in der Lage gewesen wäre, den Klang seiner Stimme zu vergessen, als er sie gebeten hatte, ihm zu vertrauen. Ob ich es je schaffen werde?, fragte sie sich.
Claire wurde abrupt aus ihren Gedanken gerissen, als Poppy plötzlich aufsprang und ihren Stuhl zurückstieß. Ihr Gesicht war
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