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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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dass Sie gehen.« Vinnies Stimme kam als Zischen heraus.
    Er versuchte nicht, den Wachdienst der Bank anzurufen, aber er wollte auch nicht reden. Ich bearbeitete ihn eine halbe Stunde lang, mal schmeichelnd, mal mit einem Bild seiner wahrscheinlichen Zukunft im Bundesgefängnis, aber er gab nicht nach. Als ich schließlich ging, starrte er immer noch mit glasigem Blick vor sich hin.

42
    Attacke auf den vierten Stand
    Als ich wieder in der schwülen Sonne war, überwältigte mich die Erschöpfung. Es war erst halb eins, aber nach dem Krach mit Dick und der Schwerarbeit in zwei Banken wollte ich wieder ins Bett. Ich musste noch etliche Nachbarn befragen und versuchen, mit Murray Ryerson zu sprechen, bevor Mr. Contreras und ich zu Eddie Mohr fuhren. Und ich wollte Max Loewenthal erreichen. Ich konnte meinem Körper den Luxus, so schnell zu ermüden, nicht gestatten. Ich ging zur State Street zurück und wollte die Treppe zur Hochbahn hinuntersteigen. Der Gedanke an den langen Heimweg von der Sheffield aus war plötzlich zu viel. Ich drehte mich um und winkte einem Taxi. Der Fahrer, der sich im Sitz wiegte und den Takt des dröhnenden Beats aus der Stereoanlage gegen das Lenkrad schlug, missachtete gelassen den restlichen Verkehr. Auf dem kurzen Stück zwischen der La Salle Street und der Fullerton Avenue beschleunigte er auf hundertzehn. Als ich ihn bat, langsamer zu fahren, war seine Wut so bedrohlich, dass ich hinausschlüpfte, während er vor der Ampel an der Diversey Avenue hielt, und den Geldbetrag auf den Beifahrersitz warf. Sein Gebrüll, vermischt mit dem Dröhnen seiner Anlage, folgte mir, als ich über die Straße ging, um in den Bus zu steigen.
    Auf der umständlichen Fahrt nach Westen sackte ich wie im Koma in einer Ecke zusammen. Die Gelegenheit, mich von der Welt um mich herum zurückzuziehen, wenn auch nur für eine Viertelstunde, war unerwartet erfrischend. Als ich in der Racine Avenue ausstieg, war ich zwar nicht in der Lage, mit einem Satz auf hohe Gebäude zu springen, aber ich glaubte, ich sei einem Arbeitsnachmittag gewachsen.
    Als ich zum Haus kam, rechnete ich damit, dass Mr. Contreras herauskam, entweder um mit mir über die Arbeit in meiner Wohnung zu sprechen oder um wieder dagegen zu protestieren, dass wir heute Abend den früheren Gewerkschaftsobmann besuchten. Es wirkte wie ein glücklicher Zufall, dass er in seiner Wohnung blieb, aber ich fragte mich, ob er zu aufgebracht war, als dass er mit mir reden wollte. Als ich sah, dass er auch nicht in seinem Garten herumhantierte, machte ich mir sogar Sorgen. Er hatte jedoch viele Jahre lang auf sich selbst aufgepasst. Ich musste davon ausgehen, dass er das auch noch einen weiteren Nachmittag lang schaffte.
    Die Handwerker waren da gewesen und wieder gegangen. Sie hatten an allen Türen und Fenstern elektronische Sicherungen angebracht. Ein Zettel an der Wohnungstür erklärte, wie die Anlage eingeschaltet wurde. Mr. Contreras hatte für mich die Rechnung bezahlt. Noch mal tausend Dollar, die ich auf die Schnelle zusammenkratzen musste. Mir war nicht klar gewesen, dass sie Sofortkasse wollten. Ich folgte den Anweisungen in der Bedienungsanleitung, die sie dagelassen hatten, und programmierte das Kontrollkästchen neben meiner Wohnungstür. Wenn jetzt jemand versuchte, bei mir einzusteigen, sollten Chicagos edle Bullen innerhalb von Minuten zur Stelle sein.
    Durch den Wutanfall vom Morgen war ich verschwitzt und zerknittert, roch sogar ein bisschen. Ich nahm mir eine halbe Stunde Zeit für ein kühles Bad, ehe ich Jeans anzog. Jetzt war es kurz vor zwei. Murray Ryerson musste von seinem üblichen verlängerten Mittagessen mit obskuren Informanten zurück sein. Ich machte mir ein Sandwich mit den Hühnchenresten von gestern Abend, ging ins Wohnzimmer und wählte seine Nummer beim Star. Er nahm selbst ab. »Hi, Murray. Ich bin's, Vic.«
    »Wow, Vic, wie aufregend. Ich hol mir die Asbesthandschuhe, für den Fall, dass der Hörer zu heiß zum Anfassen wird.«
    »Gut gedacht, Ryerson. Je sarkastischer du wirst, desto einfacher wird dieses Gespräch.« »Oh, verehrte Frau Chefin, womit habe ich die Ehre Ihres Anrufs verdient? Oder sollte ich sagen, das Privileg? Nachdem du mich gestern Nacht angebrüllt und mir den Hörer ins Ohr geknallt hast?«
    Ich aß einen Bissen von dem Sandwich, während ich mir überlegte, wie ich die Feindseligkeiten abbrechen und zur Sache kommen konnte.
    »Bist du noch da? Ist das eine neue Foltermethode? Du rufst an und

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