Eine für alle
politischen Verbindungen hatten ihnen die richtige Richtung gewiesen. Vor einem Jahrzehnt war diese Gegend der Rand von Skid Row gewesen. Jetzt beherbergte sie teure Einzelhandelsgeschäfte, die an die neue Einkaufspassage grenzten. Nach den Lichtern in den Fenstern zu urteilen, waren alle zehn Stockwerke vermietet.
Ich baute mich vor einer Auskunftsangestellten in der Ecke der in Chrom und Grün gehaltenen Eingangshalle auf. »Ich habe einen Termin mit einem Ihrer Bankmitarbeiter, Vinnie Buttone.«
Sie fuhr mit einem langen, fuchsienroten Nagel das Telefonverzeichnis entlang. »Ihr Name?«
Ich stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus. Ich war mir zu achtundneunzig Prozent sicher gewesen, dass Vinnie hier arbeitete, aber es ist immer schön, wenn man recht behält. »Chrissie Pichea.« Ich buchstabierte ihr den Namen. Sie tastete Vinnies Nebenstelle ein. »Jemand will zu Mr. Buttone. Chrissie Pichea.« Sie stolperte über den Nachnamen. Ich war froh, dass ich es bei ihr nicht mit »Warshawski« probiert hatte.
Sie saß schweigend da, wartete vielleicht, bis Vinnies Sekretärin herausgefunden hatte, wo er steckte und ob er Chrissie empfangen wolle. Er konnte überall sein, sich auf einer Baustelle Antragsteller für ein Darlehen anschauen oder - was angesichts der Klientel von U. S. Met zu erwarten war - mit einer Scheinfirma Verhandlungen führen. Zu meinem Glück stellte es sich heraus, dass er im Haus war und seine liebe, hilfsbereite Nachbarin empfangen wollte.
Die Empfangsdame schickte mich zu einer Reihe von Aufzügen, die kunstvoll hinter Säulen verborgen waren. Ich fuhr in den dritten Stock, meldete mich bei der dortigen Empfangsdame und wurde in das Innere der Bank verwiesen.
Die grün-goldene Pracht der Eingangshalle wiederholte sich in den oberen Stockwerken in gedämpfteren Tönen: grüner Plüsch - mit dünnem Flor, wie es dem Nachwuchsmanagement entsprach, das darauf herumlief - und mit goldfarbenem Stoff tapezierte Wände. Ein paar bunte Drucke an der Wand zogen den Blick an und ließen den langen Flur heller wirken.
Die meisten Bürotüren standen offen, zeigten eine Phalanx von jungen Männern in Hemdsärmeln und mit Krawatten, die ernst ins Telefon sprachen. Vinnies Büro, kurz vor dem Ende des Flurs, war zu. Ich klopfte unter dem strengen schwarzen Schild, das ihn als stellvertretenden Abteilungsleiter für Geschäftskredite auswies.
»Chrissie, hallo. Kommen Sie hier herüber ... ich habe gedacht, da haben wir es bequemer -« Beim Klang von Vinnies Stimme, die aus einem Konferenzzimmer über Eck von seinem Büro kam, drehte ich mich um. Als er mich erkannte, wurde sein rundes Gesicht vor Überraschung glasig und brach dann vor Wut auseinander. »Sie! Was haben Sie hier verloren! Ich sollte den Wachdienst rufen -«
»Ich bin hier, weil ich mit Ihnen sprechen will, Vinnie. Weil wir doch Nachbarn sind und in der North Racine Avenue gut nachbarschaftlich füreinander da sein wollen.« Ich machte die Tür hinter mir zu und setzte mich unaufgefordert in einen der imitierten Korbsessel.
»Machen Sie die Tür auf. Ich erwarte jemanden, und außerdem will ich Sie in der Bank nicht sehen.«
»Sie erwarten Chrissie Pichea, aber Sie müssen mit mir vorliebnehmen.« Ich lächelte. »Ich habe unten Chrissies Namen genannt - das schien die leichteste Methode zu sein, hier heraufzukommen. Sie und ich haben so viel zu besprechen, dass ich einfach nicht bis heute Abend warten konnte.«
Er schaute von mir zur Tür, dann zu einem Telefon in der Ecke des kleinen Zimmers. »Ich gebe Ihnen fünf Minuten, dann rufe ich den Wachdienst der Bank an, und Sie können das der Polizei von Chicago erklären. Falls Sie nicht alle von denen eingewickelt haben.« Er nahm die schwere Golduhr vom Handgelenk und legte sie ostentativ vor sich auf den Tisch.
Ich wühlte in meiner Tasche nach dem Umschlag, den ich in der Bank of Lake View vorbereitet hatte, und legte ihn vor Vinnie auf den Tisch, parallel zum Uhrenarmband. »Auch wenn Sie auf Chrissie gehofft haben und mit mir vorliebnehmen müssen, ich glaube, es wird Sie freuen, wenn Sie das hier anschauen. Ich glaube, Sie beide haben danach gesucht. Das erspart Ihnen die Mühe, noch mal einzubrechen.«
Er warf mir einen giftigen Blick zu, machte aber den Umschlag auf. Als er die Kopien des Grundbuchauszugs und der Obligationen auseinanderfaltete, wurde sein Gesicht wieder glasig, und die Farbe wich aus der Haut. Er musterte die vier Blätter länger, als sie es
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