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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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vage Ahnung vom Vormundschaftsrecht in Cook County. Meine ganze juristische Erfahrung bezog sich auf das Strafrecht, nicht auf das Zivilrecht, obwohl etliche meiner Mandanten Kinder gehabt hatten, für die wir Sorgerechtsregelungen hatten durchsetzen müssen. Konnte man einfach zum Vormundschaftsgericht gehen und zum Vormund eines anderen Menschen bestellt werden? Mrs. Frizell war nicht geistesgestört oder senil, nur unangenehm und eigenbrötlerisch. Oder vielleicht war es ihr Sohn gewesen - in meiner Wut fiel mir sein Name nicht ein -, vielleicht brauchte er bloß jemanden anzurufen und ihm die Rechte an seiner Mutter zu übertragen? Das war doch einfach ausgeschlossen. Meine Halsmuskeln waren vor Zorn so steif geworden, dass ich heftig zitterte, als ich an meiner Haustür war. Ich goss mir einen großen Whisky ein und ließ ein Bad einlaufen. Während John-nie Walker Wunder an meinen verspannten Schultern wirkte, rief ich bei Animal Control an. Der Mann am anderen Ende der Leitung war angenehm, sogar freundlich, aber nachdem ich zehn Minuten lang gewartet hatte, teilte er entschuldigend mit, Mrs. Frizells Hunde seien schon eingeschläfert worden.
    Ich stellte mir Mrs. Frizell vor, das dünne, graue Haar auf einem Krankenhauskissen ausgebreitet, wie sie das Gesicht zur Wand drehte und starb, wenn sie erfuhr, ihre geliebten Hunde seien tot. Ich konnte das raue Flüstern »Bruce« hören und Mrs. Hellstroms Versprechen, sich um die Hunde zu kümmern. Seit dem Tag, an dem Tony mir gesagt hatte, Gabriella werde sterben, war ich mir nicht mehr so hilflos vorgekommen. Das Geräusch von Wasser, das auf Fliesen spritzte, brachte mich mit einem Ruck ins Leben zurück. Das Bad war übergelaufen, während ich im Stupor dagesessen hatte. Ich war versucht, das Wasser einfach sich selbst zu überlassen, zumal das geheißen hätte, dass es schließlich durch Vinnie Buttones Decke lief, aber ich zwang mich, einen Mopp und einen Eimer zu holen und es aufzuwischen. Danach war das Bad lauwarm, der Boiler leer. Ich jaulte frustiert auf und warf das Whiskyglas durch das Badezimmer. »Sehr schlau, V. L«, sagte ich laut, als ich niederkniete, um die Scherben aufzulesen. »Du hast gezeigt, dass du dich selbst zerstören kannst, wenn du nur die richtige Wut hast - jetzt überleg dir mal, was du mit Todd Pichea machen kannst.«
    Als ich die Glasscherben eingesammelt und den Whisky weggewischt hatte, machte ich im Wohnzimmer Licht und suchte im Telefonbuch nach Todd Pichea. Seine Privatnummer war nicht eingetragen, aber seine Kanzlei, unter einer Adresse in der North La Salle Street, die ich kannte.
    Ich suchte im Wohnzimmer nach meinem Adressbuch, das meistens zwischen den Zeitungen auf dem Couchtisch steckte. In meinem Putzwahn am Dienstagmorgen hatte ich so gründlich Ordnung gemacht, dass ich es nicht finden konnte. Nachdem ich eine halbe Stunde lang jede Schublade im Zimmer durchsucht hatte, entdeckte ich das Adressbuch in der Klavierbank. Saubermachen war wirklich reine Zeitvergeudung. Ich wählte Richard Yarboroughs Geheimnummer in Oak Brook. Er meldete sich selbst. »Dick, hi. Wie geht's? ... Ich bin's, deine gute alte Exfrau Vic«, fügte ich hinzu, als mir klar wurde, dass er meine Stimme nicht erkannte.
    »Vic! Was willst du?« Er klang erschrocken, aber nicht eigentlich feindselig. Normalerweise fangen meine Gespräche mit ihm mit einem kleinen Geplänkel an, aber heute Abend war ich zu durcheinander, als dass ich clever gewesen wäre. »Kennst du einen Knaben namens Todd Pichea?« »Pichea? Schon möglich. Warum?«
    »Der, den ich kenne, wohnt gegenüber von mir. Etwa eins fünfundsiebzig, in den Dreißigern, braunes Haar, eckiges Gesicht.« Meine Stimme verebbte - mir fiel keine Methode ein, Todd zu beschreiben, die ihn von zehntausend anderen jungen Karrieremachern unterschied.
    »Und?«
    »Seine Kanzlei scheint dieselbe Adresse wie deine zu haben. Ich habe gedacht, vielleicht ist er einer von euren scharfen jungen Anwälten, die sich gegenseitig die Happen streitig machen.«
    »Ja, ich glaube, wir haben einen Kollegen, der so heißt.« Von sich aus kam Dick mir keinen Schritt entgegen.
    Ich hatte mir diesen Anruf nicht vorher zurechtgelegt. Wie alles andere, was ich heute Abend getan hatte, vom Klingeln bei den Picheas bis zum Zerschmettern eines Whiskyglases, war alles impulsiv und möglicherweise blöd gewesen. Ich machte weiter, hatte das Gefühl, gegen Treibsand anzukämpfen.
    »Er ist in eine außerdienstliche

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