Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
wenigstens zu einem Keil verhalf.
    Während ich die grausigen Dinge vor mir musterte, musste ich mich wider Willen fragen, wie viel von meiner Entschlossenheit der Sorge um Mrs. Frizell entsprang und wie viel meinem Gefühl der Demütigung. Ich bin eine schlechte Verliererin, und bis jetzt hatten mich Todd und Dick bei jedem Zusammenstoß geschlagen.
    »Dich treibt nicht die Rache - du kämpfst für Wahrheit, Gerechtigkeit und das, was Amerika groß gemacht hat«, sagte ich grinsend.
    Vermutlich hatte Mrs. Frizell ihre Papiere nach dem System abgelegt, als Letztes rein, als Erstes raus. Das Kunststück bestand darin, die oberste Schicht abzutragen - von den Bücherregalen wie von der Schreibfläche -, ohne die paläozoischen Schichten darunter aufzuwühlen.
    Trotz Mrs. Hellstroms Arbeit war der Wohnzimmerteppich -eine fadenscheinige graue Matte, die früher vielleicht einmal kastanienbraun gewesen war - immer noch zu dick eingestaubt, als dass ich darauf hätte sitzen können. Ich ging nach oben und fand eins der Laken, die sie gewaschen hatte. Ich breitete es auf dem Boden aus, nahm vorsichtig Papiere aus dem Sekretär und legte sie auf das Laken.
    Inmitten der verdreckten Küche fiel mir ein Riesenstapel Papiertüten auf - Mrs. Frizell warf nie etwas weg. Ich holte die Tüten herein und stellte eine Reihe von ihnen neben dem Sekretär auf. Ich entschied mich für den Kompromiss, alles ab 1987 gründlich zu mustern und frühere Papiere nach Jahren in Tüten zu stopfen.
    Um fünf hatte ich zwei Dutzend Tüten gefüllt. Das Laken unter mir war schwarz von dem Dreck, den ich aus den Papieren geschüttelt hatte. Mrs. Frizell stand auf der Versandliste aller Hersteller von Tierpflegeprodukten in Nordamerika, und sie hatte sämtliche Kataloge aufbewahrt. Sie hatte außerdem Tierarztrechnungen bis zurück ins Jahr 1935 aufgehoben - das frühste Jahr, das bis jetzt an die Oberfläche gekommen war - und Zeitungsausschnitte über Tierquälerei. Ich hatte nichts gefunden, was ihren Sohn betraf, aber das meiste Zeug, das ich in den Händen gehabt hatte, stammte aus der zweiten Hälfte der siebziger Jahre.
    Ihre Finanzunterlagen steckten zwischen den Tierarztrechnungen und Zeitungsausschnitten. Sie bezog Rente, aber offenbar war die Kistenfabrik, bei der sie gearbeitet hatte, nicht gewerkschaftlich organisiert gewesen. Jedenfalls schien sie außer von der US-Regierung keinerlei Pensionszahlungen zu bekommen. Die Bank of Lake View hatte die Grundsteuern für sie bezahlt und sich um ihre bescheidenen Ersparnisse gekümmert. Sie hatten offenbar auch die Nebenkosten bezahlt. Ich fand mehrere Kopien der vierteljährlichen Abrechnungen, die sie an Byron Frizell in San Francisco schickten und in denen die Transaktionen für Mrs. Frizell aufgelistet waren. Die staatliche Rentenversicherung verfügt über kein elektronisches Überweisungssystem. Mrs. Frizell hatte die Schecks per Post bekommen, und sie musste offenbar geistig dazu in der Lage sein, sie zur Bank zu bringen. Ihr Sparbuch - das ich unter einer Broschüre aus dem Jahr 1972 fand, in der für Purina geworben wurde, pro Pfund zehn Cent - wies regelmäßige monatliche Einträge auf.
    Es war ein schwacher Strohhalm, an den ich mich da klammerte, dass meine selbst ernannte Klientin geistig wach genug war, ihr Geld zur Bank zu bringen. Doch gegen den schlimmen Zustand, in dem sie jetzt war, half das auch nichts. Offenbar konnte heute niemand mehr behaupten, sie sei fähig, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Bei näherer Inspektion sah auch das Sparbuch nicht mehr nach einem Verbündeten aus. Mrs. Frizell hatte ihren Scheck achtzehn Jahre lang am Zehnten jedes Monats zur Bank gebracht, hatte aber im Februar, als der Kontostand etwas über zehntausend betrug, unvermittelt damit aufgehört. Was hatte sie seitdem mit den Schecks gemacht? Würde ich irgendwo in diesem Papiermeer Schecks entdecken?
    Ich rieb mir mit den dreckigen Fingern den Nacken und die Schultern. Ich fühlte mich leer und deprimiert.
    Ich hatte keine Beweise für Mrs. Frizells glänzende geistige Verfassung gefunden. Und schon gar kein Versteck von Wertsachen, für die es sich lohnte, sich ihre Habe unter den Nagel zu reißen.
    Ich ging in die Küche, um mich unter dem Wasserhahn abzuwaschen. Obwohl das Wetter nach dem Sturm in der letzten Nacht umgeschlagen war, hatte mich die Arbeit auf der Mülldeponie steif und verschwitzt gemacht. Die Spüle war so schmutzig, dass ich nicht aus dem Wasserhahn

Weitere Kostenlose Bücher