Eine für alle
hatte. Als ich den Impala abschloss, erinnerte mich der Gedanke an die Lohnkiller, die den Gangster - auf ein Nicken seines Fahrers hin - niedergeschossen hatten, an die eigene Verletzlichkeit. Zur Beruhigung tätschelte ich meine Pistole und schlenderte zum Eingang. Keine Wachmänner oder Empfangsdamen waren da, um Unwissenden weiterzuhelfen. Ich ging herum, hielt nach einer Adressentafel Ausschau. Offenbar war ich von hinten hereingekommen - ich musste eine Reihe von Fluren durchqueren, bis ich einen Wegweiser fand. Er dirigierte mich zum nächsten Gebäude, wo Paragon die Stockwerke drei bis sieben belegte.
Der ganze Komplex wirkte seltsam leer, als hätten die vielen Autos auf dem Parkplatz ihre Besitzer ins All befördert. Niemand begegnete mir auf den Fluren, und ich wartete allein vor dem Aufzug. Als ich in den dritten Stock kam, stand ich vor einer kahlen, blaugrünen Wand mit einem winzigen Schild, das zum Empfang wies. Vermutlich hatte Paragon in der Zeit der Finanzschwierigkeiten beschlossen, kein Geld für große Buchstaben zu vergeuden.
Es war hier so leer, dass ich mich fragte, ob mich am Empfang ein blinkender Computerschirm begrüßen würde. Zu meiner Erleichterung sah ich einen leibhaftigen Menschen, eine Frau etwa in meinem Alter mit schulterlangen Locken, in einem bräunlichen Jackenkleid, das vom jahrelangen Tragen schlapp und verschossen war. Ich fühlte mich in meinen Jeans schon etwas wohler.
Ich zeigte ein Lächeln, das gleichermaßen Freundlichkeit wie Selbstsicherheit übermitteln sollte, und fragte nach dem Controller. Sie wählte entgegenkommend eine Nummer, legte dann aber die Hand über die Sprechmuschel. »Wen darf ich melden?«
»Ich heiße V. I. Warshawski.« Ich gab ihr meine Karte. »Ich bin Finanzermittlerin.« Sie gab die Information weiter, leicht über meinen Namen stolpernd, wie das Empfangsdamen so oft tun, dann wandte sie sich wieder mir zu. »Sie stellen niemanden ein.«
»Und ich suche keine Stelle. Es wäre viel einfacher, wenn ich das der Dame selbst erklären könnte, statt über Sie und ihre Sekretärin.«
»Es ist ein Er. Mr. Loring. Was haben Sie ihm zu sagen?«
Ich zählte es an den Fingern ab. »Fünf Worte. Diamond Head Motors und Schuldenfinanzierung.«
Sie wiederholte meine Worte skeptisch. Als ich nickte, sagte sie sie ins Telefon. Dieses Mal schien sie warten zu müssen. Sie beantwortete Anrufe und stellte sie durch, hörte in die blinkende Leitung und wartete wieder. Etwa fünf Minuten später sagte sie mir, ich könne mich setzen: Sukey komme herunter und hole mich ab.
Das Warten dauerte zwanzig Minuten, bis Sukey kam. Sie war eine große, dünne Frau, deren hautenger Rock die klägliche Knochigkeit ihres Beckens und ihrer Hüften unterstrich. Ihr blasses Gesicht war voller Aknenarben, aber als sie mich bat, ihr zu folgen, war ihre Stimme tief und angenehm.
»Wie war gleich noch mal Ihr Name?«, fragte sie, als wir in den Aufzug traten. »Charlene hat am Telefon ein bisschen undeutlich gesprochen.« »Warshawski«, wiederholte ich und gab ihr meine Karte.
Sie musterte das kleine Rechteck ernst, bis im siebten Stock die Tür aufging. Sobald wir aus dem Aufzug traten, begriff ich, dass ich das Geheimversteck der Mitarbeiter von Paragon entdeckt hatte. Das Stockwerk war ein Labyrinth aus Kabuffs, die allesamt zwei bis drei Computerterminals enthielten und das Personal, das sie bediente. Als wir zum Ende des Flurs kamen, wichen die Kabuffs Büros, ebenfalls mit Computern und ihren Benutzern.
Schließlich kamen wir in einen kleinen offenen Bereich. Sukeys Schreibtisch stand vor einem offenen Eckbüro. Es war als Ben Lorings Reich gekennzeichnet, aber der Herr war nicht zu Hause. Sukey wies mir einen der Schalensitze aus Kunststoff an und klopfte an einer Tür in der Nähe. Ich konnte nicht hören, was sie sagte, als sie den Kopf in den Spalt steckte. Sie verschwand kurz und kam dann zurück, um mich hineinzuführen.
Das Konferenzzimmer war voller Männer, die meisten in Hemdsärmeln, und alle musterten mich mit einer Mischung aus Misstrauen und Verachtung. Keiner sagte etwas, ein paar warfen Blicke auf den zweiten Mann zu meiner Linken, einen stämmigen Typ in den Fünfzigern mit einem dichten grauen Haarschopf.
»Mr. Loring?« Ich hielt ihm die Hand hin. »Ich bin V. I. Warshawski.«
Er ignorierte meine Hand. »Für wen arbeiten Sie, Warshawski?«
Ich setzte mich unaufgefordert an den ovalen Tisch. »Salvatore Contreras.«
Dieses Mal wechselten
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