Eine ganz andere Geschichte
Küchentisch und schlitzte ihn auf.
Holte ein Bündel dicht beschriebener Bögen heraus. Computerausdrucke, einfacher Zeilenabstand. Sechzig, siebzig Seiten, wie es schien, sie waren nicht nummeriert.
Er schaute oben auf die erste Seite.
Aufzeichnungen aus Mousterlin, stand dort.
Was zum Teufel?, dachte Inspektor Barbarotti.
Die Küchenuhr, die nicht kaputt war, zeigte zehn Minuten nach drei, als er endlich unter die Dusche ging.
VI
Aufzeichnungen aus Mousterlin
8. – 9. Juli 2002
»Was hast du gemacht?«, schreit Erik.
»Ich habe sie getötet«, erkläre ich noch einmal. »Sie liegt hinten beim Geräteschuppen, wenn ihr sie ansehen wollt.«
Erik starrt mich an. Sein Mund öffnet und schließt sich. Kleine Zukkungen laufen über sein Gesicht und seinen Hals, mir ist klar, dass er sehr aufgebracht ist.
»Ich dachte, das wäre angebracht«, sage ich. »Was hätte ich denn sonst tun sollen?«
»Du bist ja nicht …«
Er dreht mir den Rücken zu, macht zwei Schritte, ändert dann seine Absicht. Dreht sich um und versucht zum Schuppen zu spähen, doch es ist zu dunkel. Man kann nicht erkennen, ob dort wirklich eine Leiche liegt.
»Warum?«, fragt er. »Warum zum Teufel?«
Ich beschreibe ihm noch einmal den Hergang. Währenddessen lässt er sich auf einen Stuhl sinken, beugt sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Kopf in den Händen. »Scheiße, was sollen wir tun?«, stöhnt er, als ich fertig bin. »Begreifst du nicht, was du da angerichtet hast?«
»Angerichtet?«, frage ich. »Sie wusste es doch. Ich konnte gar nichts anderes tun. Was hättest du denn getan?«
Er starrt mich erneut an. Dann entdeckt er den Schraubenschlüssel, der auf dem weiß gefliesten Terrassenfußboden liegt.
»Damit?«, fragt er.
Ich nicke. »Bahco 08072«, sage ich. »Ich hatte nichts anderes zur Hand.«
Wir betrachten ihn beide einige Sekunden lang, ein wenig eingetrocknetes Blut klebt noch dran, und es gibt ein paar dunkle Flecken auf dem Boden. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, sauberzumachen, habe nur den Körper fortgeschafft. Erik zieht sein Handy heraus.
»Ich rufe die anderen an«, sagt er. »Verdammt, ich dachte, wir wären fertig damit.«
»Das habe ich auch gedacht«, sage ich. »Aber ruf nur die anderen zusammen, das ist sicher das Beste.«
Er sieht mich an, während er die Nummer eintippt und auf Antwort wartet, und zum ersten Mal meine ich eine Spur von Angst in seinem Blick zu entdecken.
Nach nicht einmal einer halben Stunde sind alle vier an Ort und Stelle. Es ist zwanzig Minuten vor elf Uhr am Abend, aber immer noch ist es nicht richtig dunkel. Das Abendlicht in diesen Gegenden ist berühmt, wir brauchen keine Lampe, als wir im Halbkreis stehen und die tote Frau neben der Schuppenwand betrachten. Sie ist deutlich zu erkennen, jetzt, wo sie nicht mehr lebt, sieht sie noch kleiner aus, ich denke nicht, dass sie viel mehr wiegt als ihre Enkelin. Die Luft ist nicht kalt, aber ich merke, dass beide Frauen zittern.
»Scheiße«, sagt Gunnar. »Was hast du nur angerichtet?«
»Angerichtet?«, wiederhole ich. »Ich dachte, wir wären überein gekommen, alle Spuren vom Tod des Mädchens zu verwischen?«
Anna flüstert Katarina etwas zu, ich kann nicht hören, was. Henrik zieht hektisch an seiner Zigarette und kann kaum still stehen. Trampelt hin und her und brummt unzusammenhängende und unbegreifliche Worte.
»Du hast sie getötet«, sagt Gunnar.
»Ja«, sage ich. »Ich habe sie getötet.«
»Ermordet«, sagt Katarina.
»Scheiße«, sagt Henrik.
»Gestern habt ihr euch bei mir bedankt, weil ich einen unangenehmen Auftrag übernommen habe«, erinnere ich sie. »Was meint ihr, was passiert wäre, wenn die Frau zur Polizei gegangen wäre?«
»Was hat sie gesagt?«, fragt Gunnar. »Warum ist sie überhaupt hergekommen?«
»Ich glaube, das habe ich schon erklärt«, sagt Erik.
»Ich würde es gern aus dem Mund des Mörders selbst hören«, sagt Gunnar.
»Können wir uns nicht auf die Terrasse setzen?«, schlägt Anna vor. »Ich will hier nicht länger stehen, mir wird hier schlecht.«
Wir setzen uns um den Tisch. Erik zündet zwei Kerzen an und holt eine Flasche Rotwein. »Ich nehme an, dass alle ein Glas möchten?«, fragt er.
Niemand sagt nein, er holt Gläser und schenkt ein. Mir fällt auf, dass heute Abend ungewöhnlich viele Fledermäuse unterwegs sind, sie schwirren durch die dünne Dunkelheit. Tauchen auf und verschwinden, tauchen auf und verschwinden, schneller als
Weitere Kostenlose Bücher