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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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überall auf der Welt verstreut sind. Das erinnert uns an die Zeiten des Kolonialismus, keine Frage, aber genauso erinnert es die Welt an unser gemeinsames Erbe.»
    Im Museum geht Hornedjitefs Geschichte weiter, so wie die Geschichte all der anderen hier beheimateten Objekte. Ihre Reise ist noch nicht zu Ende, ebenso wenig wie unsere Forschung, die wir gemeinsam mit Kollegen überall auf der Welt betreiben und die unablässig dazu beiträgt, dass das gemeinsame Verständnis der globalen Vergangenheit – unseres gemeinsamen Erbes – stetig wächst.



2
Steinernes Schneidewerkzeug
der Oldowan-Kultur
    Werkzeug aus der Olduvai-Schlucht, Tansania
1,8 bis 2 Millionen Jahre alt
    Dieses Schneide- und Hackwerkzeug (im Fachjargon auch Chopping Tool genannt) ist einer der frühesten Gegenstände, die Menschen jemals bewusst hergestellt haben, und wenn wir es in Händen halten, kommen wir unmittelbar in Berührung mit denjenigen, die es produziert haben. In unserer Weltgeschichte in Objekten ist dieses Stück Geröll aus Afrika – aus dem heutigen Tansania – der Ausgangspunkt, an dem alles beginnt.
    Wenn die Bedeutung eines Museums, wie ich in der Einleitung formuliert habe, unter anderem darin besteht, dass es uns eine Zeitreise ermöglicht, so hat sich allein schon unser Wissen darum, wie groß der Zeitraum ist, den wir überhaupt durchmessen können, enorm erweitert, seit das Britische Museum 1759 erstmals seine Pforten öffnete. Damals wären die meisten Besucher vermutlich übereinstimmend der Ansicht gewesen, die Welt habe im Jahr 4004 v. Chr. begonnen, genauer gesagt bei Einbruch der Dunkelheit am Vorabend des 23. Oktober besagten Jahres, einem Sonntag. Dieses erstaunlich exakte Datum war 1650 vom Erzbischof von Armagh, James Ussher, errechnet worden, der im Lincoln’s Inn ganz in der Nähe des Britischen Museums predigte. Er hatte akribisch die Bibel durchforstet, die Lebensspannen sämtlicher Nachfahren von Adam und Eva addiert, diese mit anderen Daten kombiniert und war so schließlich zu diesem Ergebnis gekommen. Doch in den vergangenen Jahrhunderten haben Archäologen, Geologen und Museumskuratoren die Chronologie der Menschheitsgeschichte stetig verlängert, und aus Usshers gut 6000 Jahren sind inzwischenbeinahe unvorstellbare zwei Millionen Jahre geworden. Wenn die Menschheit ihren Anfang also nicht 4004 v. Chr. im Garten Eden nahm, wann dann? Und wo? Lange Zeit gab es zahlreiche Vermutungen, aber keine schlüssigen Antworten und mit Sicherheit kein belastbares Datum. Das änderte sich erst 1931, als sich ein junger Archäologe namens Louis Leakey zu einer vom Britischen Museum finanzierten Expedition nach Afrika aufmachte.
    Leakeys Ziel war die Olduvai-Schlucht, ein tiefer Einschnitt in der flachen Savanne im Norden Tansanias, nicht weit von der Grenze zu Kenia entfernt. Sie ist Teil des Ostafrikanischen Grabenbruchs, eines riesigen Risses in der Erdkruste, der mehrere tausend Kilometer lang ist. In der Olduvai-Schlucht untersuchte Leakey freiliegende Gesteinsschichten, die als eine ganze Serie von Zeitkapseln fungieren. Als Leakey die von der Sonne, dem Wind und dem Regen in der Savanne geformten Felsen in Augenschein nahm, stieß er auf eine Schicht, an der die Felsen auch noch von etwas anderem bearbeitet worden waren – von Menschenhänden. Denn gleich daneben fanden sich Knochen, und damit war klar, dass diese Steine zu Werkzeugen geformt worden waren, mit denen man das Fleisch der in der Savanne getöteten Tiere abschnitt und sie ausnahm. Geologische Untersuchungen belegten anschließend ohne jeden Zweifel, dass die Schicht, in der man die Werkzeuge gefunden hatte, rund zwei Millionen Jahre alt war. Das war archäologischer Sprengstoff.
    Leakeys Ausgrabungen förderten die ältesten von Menschen gefertigten Gegenstände zutage, die damals weltweit bekannt waren, und sie zeigten, dass nicht nur das menschliche Leben, sondern auch die menschliche Kultur in Afrika ihren Anfang genommen hatte. Zu den von Leakey gefundenen Werkzeugen gehörte auch dieser Stein. Der berühmte Naturforscher und Filmemacher Sir David Attenborough lässt uns zumindest erahnen, welche Erregung Leakey verspürt haben muss:
    «Wenn ich diesen Stein in Händen halte, kann ich spüren, wie es war, draußen in der afrikanischen Savanne zu sein, wenn man Fleisch schneiden und beispielsweise einen Tierkadaver zerlegen musste, um an eine Mahlzeit zu kommen.
    Wenn man ihn in die Hand nimmt, ist die erste Reaktion: Mensch, ist der

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