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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Prozesses, der bei den Menschen fast schon zu einer Obsession geworden ist. Es handelt sich um etwas, das aus einer natürlichen Substanz geschaffen wurde zu einem speziellen Zweck und auf spezifische Weise, wobei derjenige, der es herstellte, eine Vorstellung davon hatte, wozu er es benutzen wollte. Ist es komplexer, als es eigentlich sein müsste, um seine Funktion zu erfüllen? Wie mir scheint, ja. Musste er wirklich auf der einen Seite fünfmal etwas abschlagen und auf der anderen Seite dreimal? Hätten auch zwei Mal gereicht? Ich glaube, ja. Ich glaube, der Mann oder die Frau, die dieses Werkzeug in Händen hielten, fertigten es nur speziell für diesen Zweck und bezogen möglicherweise eine gewisse Befriedigung aus dem Wissen, dass es dieseAufgabe höchst effektiv, höchst ökonomisch und höchst akkurat erfüllen würde. Später würde man sagen, er hat es wunderschön gemacht, aber das war damals wohl noch nicht der Fall. Die Menschen standen erst am Beginn einer Reise.»
    Diese zusätzlichen Abschläge an der Kante des Schneidewerkzeugs machen uns deutlich, dass wir – anders als die Tiere – von Anfang an den Drang verspürten, die Sachen ausgeklügelter zu machen, als es eigentlich nötig wäre. Objekte enthalten wichtige Botschaften über diejenigen, die sie hergestellt haben, und das Schneidewerkzeug symbolisiert den Beginn einer Beziehung zwischen den Menschen und den Dingen, die sie herstellen, einer Beziehung, die sowohl eine der Liebe als auch der Abhängigkeit ist.
    Von dem Zeitpunkt an, da unsere Vorfahren Werkzeuge wie diese Chopping Tools herstellten, waren die Menschen nicht mehr in der Lage, ohne diese von ihnen produzierten Dinge zu überleben. Man könnte also sagen: Dinge zu machen macht uns zu Menschen. Leakeys Entdeckungen in der warmen Erde des Grabenbruchs verschoben nicht nur den Ursprung des Menschen weiter zurück in die Vergangenheit; sie machten auch deutlich, dass wir alle von diesen afrikanischen Vorfahren abstammen, dass jeder einzelne von uns Teil einer riesigen afrikanischen Diaspora ist – wir alle haben Afrika in unserer DNA, und unsere ganze Kultur nahm dort ihren Anfang. Was das bedeutet, erklärt die kenianische Umweltaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai:
    «Soweit wir wissen, stammen wir Menschen irgendwo aus Ostafrika. Weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben, nach Ethnien und Rassen zu unterscheiden, und ständig nach Gründen suchen, um uns voneinander abzugrenzen, dürften einige von uns überrascht sein, wenn sie merken, dass das, was uns unterscheidet, gewöhnlich etwas sehr Oberflächliches ist, etwa unsere Hautfarbe oder die Farbe unserer Augen oder die Beschaffenheit unserer Haare, wir aber im Grunde die gleiche Abstammung, den gleichen Ursprung haben. Wenn wir also, so meine Überzeugung, weiterhin Verständnis und Wertschätzung füreinander hegen – insbesondere wenn wir begreifen, dass wir alle denselben Ursprung haben –, dann werden wir eine Menge Vorurteile über Bord werfen, die wir in der Vergangenheit gehegt haben.»
    Nimmt man die Nachrichten im Rundfunk oder im Fernsehen, so gibt es wenig Zweifel, dass die Welt in rivalisierende Stämme und konkurrierende Kulturen gespaltenist. Insofern ist es gut, ja von essenzieller Bedeutung, wenn wir daran erinnert werden, dass die Vorstellung von unserem gemeinsamen Menschsein nicht nur ein Traum der Aufklärung ist, sondern genetische und kulturelle Wirklichkeit. Wir werden in diesem Buch immer wieder darauf stoßen.

3
Faustkeil der Oldowan-Kultur
    Werkzeug, gefunden in der Olduvai-Schlucht, Tansania
1,2 bis 1,4 Millionen Jahre alt
    Was nehmen Sie mit, wenn Sie auf Reisen gehen? Die meisten von uns würden eine lange Liste erstellen, die mit der Zahnbürste beginnt und mit Übergepäck endet. In der Menschheitsgeschichte gab es die meiste Zeit über jedoch nur einen Gegenstand, den man auf Reisen wirklich brauchte – einen steinernen Faustkeil. Er war so etwas wie das Schweizer Messer der Steinzeit, ein essenzielles Stück Technik mit vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten. Das spitz zulaufende Ende ließ sich als Bohrer einsetzen, während man mit den scharfen Seiten Pflanzen oder Fleisch zerschneiden und Rinden oder Häute abschaben konnte. Ein Faustkeil sieht eigentlich ziemlich schlicht aus, aber in Wirklichkeit ist er extrem kompliziert herzustellen und über eine Million Jahre lang war er buchstäblich eine Spitzentechnologie. Er begleitete unsere Vorfahren die halbe

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