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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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siebenjährigen Kindes. Auf alle Fälle aber markiert dieses frühe Sprechen die Anfänge einer ziemlich neuen Fähigkeit zur Kommunikation – was bedeutet, dass sich Menschen zusammensetzen konnten, um Ideen auszutauschen, ihre Arbeit gemeinsam zu planen oder einfach nur zu schwatzen. Wenn sie einen so fein gearbeiteten Faustkeil wie diesen herstellen und die dafür erforderlichen komplexen Fertigkeiten vermitteln konnten, dann waren sie möglicherweise auf dem Weg zu dem, was wir als Gesellschaft bezeichnen würden.
    Vor 1,2 Millionen Jahren konnten wir also Werkzeuge wie unseren Faustkeil produzieren, mit deren Hilfe wir unsere Umwelt kontrollierten und veränderten – der Faustkeil verschaffte uns besseres Essen und versetzte uns in die Lage, Tieren für Kleidungszwecke die Haut abzuziehen oder Zweige abzuschneiden, um damit Feuer zu machen oder eine Hütte zu bauen. Mehr noch: Wir konnten nun miteinander sprechen und wir konnten uns etwas vorstellen, was wir nicht physisch vor Augen hatten. Was kam dann? Der Faustkeil sollte uns auf eine lange Reise begleiten, denn dank all dieser Fertigkeiten waren wir nicht mehr an unsere unmittelbareUmgebung gebunden. Wenn wir mussten – ja, wenn wir einfach nur wollten –, konnten wir anderswohin ziehen. Reisen wurde möglich, und wir konnten die heißen Savannen Afrikas hinter uns lassen und in kälteren Gefilden überleben oder vielleicht sogar aufblühen. Der Faustkeil wurde zu unserem Ticket für den Rest der Welt, und in den Sammlungen des Britischen Museums finden sich Faustkeile aus ganz Afrika – aus Nigeria, Südafrika, Libyen –, aber auch aus Israel und Indien, Spanien und Korea … ja, sogar aus einer Kiesgrube in der Nähe des Flughafens Heathrow.
    Als sie von Afrika aus nordwärts zogen, wurde einige dieser frühen Faustkeilproduzenten die ersten Briten. Nick Ashton, Archäologe und Kurator am Britischen Museum, erklärt dazu:
    «Bei Happisburgh in der Grafschaft Norfolk gibt es diese gut zehn Meter hohen Klippen aus Lehm, Schluff und Sand, die vor rund 450.000 Jahren durch massive Gletscherbildung entstanden sind. Doch als ein Einheimischer am Fuß dieser Klippen mit seinem Hund spazieren ging, fand er in diesen organischen Ablagerungen einen Faustkeil. Diese Werkzeuge wurden erstmals vor 1,6 Millionen Jahren in Afrika hergestellt und gelangten vor rund einer Million Jahren nach Süd europa und in einige Regionen Asiens. Selbstverständlich lag die Küste damals noch einige Kilometer weiter draußen. Wäre man diese alte Küstenlinie entlangmarschiert, wäre man in die heutigen Niederlande gelangt, also ins Herz Mitteleuropas. Damals verband eine große Landbrücke Großbritannien mit dem europäischen Festland. Wir wissen nicht wirklich, warum Menschen damals Groß britannien besiedelten, aber vielleicht hatte es mit der Effektivität dieser neuen Technik zu tun, die wir als Faustkeil bezeichnen.»

4
Schwimmende Rentiere
    Skulptur aus einem Mammutzahn, gefunden in Montastruc, Frankreich
11.000 v. Chr.
    Vor rund 50.000 Jahren muss mit dem menschlichen Gehirn etwas Grundstürzendes passiert sein. Überall auf der Welt begannen die Menschen damit, feste Muster zu schaffen, die schmücken und bezaubern, Schmuck zur Verzierung des Körpers anzufertigen und Darstellungen von Tieren zu produzieren, die um einen herum lebten. Sie erzeugten Objekte, die nicht die Welt verändern, sondern die Ordnung und die Strukturen, die sich in ihr erkennen lassen, erkunden sollten. Kurz: Die Menschen schufen Kunst. Die beiden Rentiere, die auf diesem Stück Knochen dargestellt sind, bilden das älteste Kunstwerk, das sich in einem britischen Museum oder einer Kunstsammlung findet. Das Stück entstand gegen Ende der letzten Eiszeit, vor gut 13.000 Jahren. Es handelt sich um ein furchtbar empfindliches Stück: Wir bewahren es in einem klimatisierten Behältnis auf und bewegen es so gut wie nie, denn jeder unvermittelte Stoß könnte zur Folge haben, dass es zu Staub zerfällt. Die Skulptur ist ungefähr zwanzig Zentimeter lang und aus dem Stoßzahn eines Mammuts geschnitzt – offenbar aus dem äußeren Ende des Zahns, denn sie ist dünn und leicht gekrümmt. Sie wurde von einem unserer Vorfahren angefertigt, der sich seine eigene Welt vor Augen führen wollte, und dabei übermittelte er seine Welt mit erstaunlicher Unmittelbarkeit auch uns. Wir haben es mit einem Meisterwerk eiszeitlicher Kunst zu tun, und es belegt überdies die große Veränderung, die sich in der

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