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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Coleridges opiumberauschter Fantasie jagen einem noch immer einen Schauer über den Rücken. Als Teenager war ich von dieser Vision exotischer und geheimnisvoller Genüsse wie verzaubert, aber ich hatte keine Ahnung, dass Coleridge in Wahrheit über eine historische Gestalt schrieb. Kublai Khan war ein chinesischer Herrscher aus dem 13. Jahrhundert. Xanadu ist ganz einfach die englische Form von Shangdu, seiner kaiserlichen Sommerresidenz. Kublai Khan war der Enkel von Dschingis Khan, der seit 1206 Herrscher über die Mongolen war und die Welt in Angst und Schrecken versetzte. Indem er überall Chaos und Verwüstung hinterließ, errichtete Dschingis Khan das Mongolische Reich – eine Supermacht, die sich vom Schwarzen Meer bis zum Japanischen Meer und von Kambodscha bis zur Arktis erstreckte. Kublai Khan vergrößerte dieses Reich sogar noch und wurde Kaiser von China.
    Unter den mongolischen Herrschern entwickelte China eines der bis heute erfolgreichsten Luxusgüter der Weltgeschichte – ein Produkt, das für vornehme Lustschlösser geeignet war, das sich aber über die Jahrhunderte verbreitete und sich in großen Palästen ebenso wie in einfachen Wohnstuben auf der ganzenWelt wiederfand: chinesisches Blau-Weiß-Porzellan. Uns erscheint das Blau-Weiß heute als der Inbegriff des Chinesischen, aber das war nicht von Anfang an so. Diese archetypische chinesische Ästhetik kommt eigentlich aus Iran. Dank der alten chinesischen Gepflogenheit, auf Objekten zu schreiben, wissen wir genau, wer diese beiden Porzellanvasen im Blau-Weiß-Stil in Auftrag gab, für welche Götter sie bestimmt waren und an welchem Tag sie tatsächlich geweiht worden sind.
    Die Bedeutung von chinesischem Porzellan kann man kaum hoch genug einschätzen. Seit über tausend Jahren bewundert und nachgeahmt, hat es nahezu jede Keramiktradition der Welt beeinflusst, und es hat eine entscheidende Rolle im interkulturellen Austausch gespielt. In Europa wird das Blau-Weiß-Porzellan praktisch in einem Atemzug mit China genannt und immer mit der Ming-Dynastie in Verbindung gebracht. Aber die David-Vasen, die sich heute im Britischen Museum befinden, lassen uns die Geschichte noch einmal neu überdenken, denn sie datieren aus der Zeit vor den Ming und entstanden unter Kublai Khans Mongolendynastie, bekannt als die Yuan-Dynastie, die bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts über ganz China herrschte.
    Vor 700 Jahren wurden fast ganz Asien und weite Teile Europas durch die Mongolenstürme erschüttert. Wir alle kennen Dschingis Khan als den größten aller Zerstörer, und die Plünderung Bagdads unter seinem Sohn ist im Gedächtnis des irakischen Volkes noch immer präsent. Dschingis’ Enkel Kublai war ebenfalls ein großer Krieger, aber unter ihm wurde die mongolische Herrschaft beständiger und geordneter. Als Kaiser von China unterstützte er Wissenschaften und Künste und förderte die Herstellung von Luxuswaren. Als das Reich einmal errichtet war, folgte die «Pax Mongolica», der Mongolische Friede, der wie die Pax Romana eine lange Zeit der Stabilität und des Wohlstands gewährleistete. Das mongolische Reich dehnte sich entlang der Seidenstraße aus und sicherte diese. Es ist der Pax Mongolica zu verdanken, dass Marco Polo in der Lage war, Mitte des 13. Jahrhunderts von Italien nach China zu reisen und von dort wieder zurückzukehren, um Europa zu erzählen, was er gesehen hatte.
    Eines der erstaunlichsten Dinge, die er kennengelernt hatte, war das Porzellan; tatsächlich finden wir das eigentliche Wort «Porzellan» zum ersten Mal inMarco Polos Beschreibung seiner Reisen durch Kublai Khans China. Das italienische
porcellana
, «kleines Ferkel», ist ein umgangssprachliches Wort für die Gehäuse von Kaurischnecken, die tatsächlich ein wenig wie zusammengerollte Ferkel aussehen. Und das Einzige, das Marco Polo in den Sinn kam, um seinen Lesern eine Vorstellung von muschelartigen Glanz der harten, feinen Keramik zu vermitteln, die er in China gesehen hatte, war ein Kauri-Schneckenhaus, ein
porcellana
. Und so nennen wir es seitdem «kleines Ferkel», Porzellan – wenn wir nicht einfach nur «China» sagen. Ich glaube nicht, dass es ein anderes Land auf der Welt gibt, dessen Name austauschbar mit dem seines bedeutendsten Exportartikels ist.
    Die David-Vasen werden so genannt, weil sie von Sir Percival David erstanden wurden, dessen Sammlung von mehr als 1500 chinesischen Keramikobjekten sich heute in einer speziellen Abteilung im Britischen Museum

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