Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
befindet. Wir haben die Vasen direkt am Eingang der Abteilung aufgestellt, um deutlich zu machen, dass sie die Stars der Show sind: David erwarb sie getrennt voneinander aus zwei privaten Sammlungen und konnte sie 1935 wieder vereinen. Sie sind groß, knapp über 60 Zentimeter hoch, und an der breitesten Stelle misst ihr Durchmesser ungefähr 20 Zentimeter. Sie sind elegant geformt, am oberen Ende und am Fuß schmaler zulaufend und in der Mitte anschwellend. Zwischen dem weißen Porzellankörper und der darüberliegenden klaren Glasur erscheint, als würde es fließen, das aus Kobalt hergestellte Blau, das in kunstvollen Figuren und Mustern mit sicherer Hand aufgemalt wurde. Fuß und Hals der Vasen sind mit Blättern und Blumen verziert, aber um den eigentlichen Körper der beiden Vasen windet sich ein schlanker chinesischer Drache – langgestreckt, geschuppt und bärtig, mit scharfen Klauen und von Wolkenranken umgeben. Am Hals sind zwei Griffe in Form von Elefantenköpfen angebracht. Bei diesen beiden Vasen handelt es sich offensichtlich um luxuriöse Porzellanerzeugnisse, hergestellt von talentierten Kunsthandwerkern, die sich an ihrem Material erfreuten.
Porzellan ist eine spezielle Keramikart, die bei sehr hohen Temperaturen gebrannt wird: 1200–1400 Grad Celsius. Die Hitze vitrifiziert und härtet den Ton, so dass er, im Gegensatz zur porösen Töpferware, wie Glas keine Flüssigkeit durchlässt. Weißes, hartes und lichtdurchlässiges Porzellan wurde bewundert und war überall begehrt, lange vor der Erfindung des Blau-Weiß-Stils.
Die Grausamkeiten der Mongolenstürme erschütterten und zerstörten die im Mittleren Osten und vor allem in Iran angesiedelte Keramikindustrie. Als jedoch wieder Frieden einkehrte, entstanden hier bedeutende Märkte für den chinesischen Export. Blau-Weiß-Waren blieben lange Zeit gefragt. Deshalb imitierte das Porzellan, das die Chinesen für diesen Markt anfertigten, den iranischen Lokalstil, und die chinesischen Töpfer benutzten das blaue Kobaltpigment aus Iran, um den dortigen Geschmack zu treffen. Kobalt aus Iran war in China als
huihui qing
– muslimisches Blau – bekannt, was ein klares Indiz dafür ist, dass die Blau-Weiß-Tradition aus dem Mittleren Osten und nicht aus China kommt. Professor Craig Clunas, Experte für die chinesische Kulturgeschichte, stellt dieses Phänomen in einen breiteren Kontext:
«Iran und der heutige Irak sind Gebiete, in denen solche Farbtöne vorkommen. Es handelt sich um eine Technik, die andernorts entstand, und deshalb erzählt sie uns etwas über die Zeit, in der China, als Teil des riesigen, vom Pazifik bis fast zum Mittelmeer reichenden mongolischen Imperiums, für das übrige Asien offen war wie nie zuvor. Natürlich ist es diese Offenheit, die so etwas wie den Blau-Weiß-Stil mit sich bringt, und sie hatte wahrscheinlich auch Einfluss auf die Formen der Literatur. Unter dem Aspekt der Entstehung von Kulturformen ist die Yuan-Periode also außerordentlich bedeutsam.»
Die David-Vasen zählen zu den glücklichen Folgen dieser kulturellen Öffnung. Ihre entscheidende Bedeutung besteht darin, dass sie neben ihrer Verzierung auch Inschriften aufweisen – Inschriften, die uns darüber aufklären, dass sie an einem Dienstag, den 13. Mai 1351 geweiht wurden – ein wundervolles Beispiel chinesischer Genauigkeit und ein eindeutiger Beweis dafür, dass qualitativ hochwertiges Blau-Weiß-Porzellan älter ist als die Ming-Dynastie. Aber das, was auf den beiden Vasen geschrieben steht, erzählt uns noch mehr. Es gibt gering fügige Unterschiede zwischen den Inschriften. Dies ist die Übersetzung der Inschrift der linken Vase:
«Zhang Wenjin, aus der Jingtang-Gemeinde des Dorfes Dejiao im Stadtgebiet von Shuncheng, Bezirk Yushan, Kreis Xinzhou, ein Schüler der heiligen Götter, ist erfreut, General Hu Jingyi im Palast von Xingyuan mit der Bitte um Schutz und Segen für die ganze Familie und um Frieden für seine Söhne und Töchter eine Gabe darzubieten, bestehend aus einem Räuchergefäß und einem Paar Blumenvasen.Mit Bedacht offeriert an einem verheißungsvollen Tag im vierten Monat des elften Jahres der Zhizheng-Herrschaft.»
Hierin sind eine Menge von Informationen enthalten. Es wird uns gesagt, dass die Vasen hergestellt wurden, um als Spende in einem Tempel zu dienen, und dass der Name ihres Spenders Zhang Wenjin ist, der sich selbst überaus feierlich als «Schüler der heiligen Götter» bezeichnet. Angegeben wird seine
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