Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
herumzutragen. Die abgebildeten Münzen würden, auf einer Schnur aufgereiht, eineinhalb Meter ergeben. Sie würden drei Kilogramm wiegen, sie wären schwer zu teilen, und es wäre ausgesprochen umständlich, damit zu bezahlen. Diese Banknote muss das Leben für einige Leute sehr vereinfacht haben. Ein Zeitgenosse schrieb:
«Wenn Papiergeld vorgelegt wird, werden Kupfermünzen ausgezahlt, und wenn Papiergeld in Umlauf gebracht wird, werden Kupfermünzen eingezahlt. Das wird sich nie als unpraktikabel erweisen. Es ist wie Wasser in einem Teich.»
Das klingt ganz einfach. Aber wie üblich stellte sich heraus, dass die Theorie einfacher war als die Praxis. Beim Austausch von Geld gegen Kupfer und von Kupfer gegen Geld lief es nie ganz glatt, und wie so viele Regierungen nach ihnen konnten die Ming der Versuchung nicht widerstehen, einfach immer mehr Geld zu drucken. Der Wert des Papiergelds stürzte in den Keller, und fünfzehn Jahre, nachdem die erste Ming-Banknote in Umlauf gebracht worden war, bemerkte ein Beamter, dass ein 1000-Cash-Schein wie der unsere auf einen Wechselwert von 250 Cash-Münzen gefallen sei. Was war schief gelaufen? Mervyn King erklärt:
«Sie hatten keine Zentralbank und brachten zu viel Papiergeld in Umlauf. Es war im Prinzip durch Münzgeldeinlagen gesichert – zumindest theoretisch. Aber in Wirklichkeit brach diese Kopplung auseinander, und als den Leuten
klar wurde
, dass die Kopplung nicht mehr existierte, wurde aus der Frage, wie viel das Papiergeld eigentlich wert sei, ein Urteil darüber, ob künftige Regierungen immer mehr davon drucken und es hinsichtlich seiner Kaufkraft noch weiter entwerten würden. Am Ende war dieses Geld wertlos.
Ich glaube allerdings nicht, dass Papiergeld grundsätzlich nicht für den Geldverkehr taugt, und wenn man mich vor vier oder fünf Jahren, also vor der Finanzkrise,gefragt hätte, hätte ich gesagt: ‹Meiner Ansicht nach haben wir inzwischen gelernt, den Umgang mit Papiergeld zu beherrschen.› Im Lichte der Finanzkrise sollten wir vielleicht ein bisschen vorsichtiger sein und mit Zhou Enlai sprechen, der, auf die Französische Revolution angesprochen, meinte: ‹Es ist noch zu früh, etwas zu sagen.› Vielleicht sollten wir nach 700 Jahren zum Papiergeld ebenfalls erklären, dass es noch zu früh sei, etwas zu sagen.»
Um 1425 gab sich die chinesische Regierung schließlich geschlagen und stellte die Verwendung von Papiergeld ein. Die Feen hatten sich aus dem Staub gemacht – oder, um es gediegener auszudrücken, die Glaubensstrukturen, die notwendig waren, um Papiergeld am Laufen zu halten, waren zusammengebrochen. Silber wurde zur Grundlage des Finanzwesens unter der Ming-Regierung. Aber so schwer es auch zu beherrschen sein mag, hat Papiergeld doch so viele Vorzüge, dass die Welt unweigerlich darauf zurückkam und kein modernes Staatswesen ohne es denkbar wäre. Und die Erinnerung an diese auf chine sisches Maulbeerpapier gedruckte frühe Papierwährung lebt in einem kleinen Garten mitten in London fort. In den 1920er Jahren ließ die Bank of England als Hommage an diese ersten Banknoten eine kleine Gruppe von Maulbeerbäumen pflanzen.
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Goldenes Lama der Inka
Goldstatuette, aus Peru
1400–1550 n. Chr.
Vor rund 500 Jahren war das Inkareich größer als die osmanische Türkei und größer als Ming-China – es war das größte Weltreich überhaupt. Zur Zeit seiner Blüte erstreckte es sich über 5000 Kilometer entlang der Anden und zählte von Kolumbien bis Chile und von der Pazifikküste bis zum Regenwald des Ama zonas mehr als zwölf Millionen Untertanen. Mit der Ankunft der Spanier in den 1520er Jahren sollte dann alles zusammenbrechen; bis dahin aber blühte das Inkareich. Die Inka kannten keine Schrift, bildeten aber eine starke, militärisch durchorganisierte Gesellschaft, eine wohlstrukturierte, produktive und wohlhabende Zivilisation, die ihren Mittelpunkt in Cusco in Peru hatte. Ihre Wirtschaft basierte auf der menschlichen Arbeitskraft und, nicht zu vergessen, auf Lamas – einem gewal tigen Heer von Arbeitskräften und Hunderttausenden von Lamas. Und obwohl das Inkareich der größte Staat seiner Zeit war, wird es vom kleinsten Objekt, das in diesem Abschnitt unserer Geschichte zu finden ist, repräsentiert – einem win zigen goldenen Boten aus einer gipfelgekrönten Welt.
Da die Inka zwar eine militärisch, sozial und politisch durchorganisierte Hochkultur waren, aber nicht über eine Schrift verfügten, sind wir auf
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