Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
ewig da sein würde, um ihre Zusage einzulösen. Ich habe Mervyn King gebeten, ein paar Sätze zu der kühnen Behauptung zu sagen:
In der Mitte der Banknote sind zehn auf eine Schnur aufgezogene Münzenstapel abgebildet.
«Ich denke, es ist ein Vertrag, eine stillschweigende Übereinkunft zwischen dem Volk und den Regierenden über die Entscheidungen, die in kommenden Jahrzehnten in Bezug auf den Werterhalt dieses Geldes getroffen werden. Es ist ein Blatt Papier ohne jeden immanenten Wert – sein Wert bemisst sich an der Stabilität der Institutionen, die hinter der Ausgabe des Papiergeldes stehen. Wenn die Menschen darauf vertrauen, dass diese Institutionen weiter bestehen, wenn sie darauf vertrauen, dass sie deren Stabilitätsversicherungen Glauben schenken können, dann werden sie Papiergeld verwenden und es wird Teil des normalen Geldumlaufs werden. Wenn dieser einbricht, wie es in Staaten passiert ist, in denen die Regierung durch Krieg oder Revolution gestürzt wurde, bricht auch die Währung zusammen.»
Und genau das passierte in China um 1350, als das Mongolenreich zerfiel. So sah sich die Ming-Dynastie, als sie 1368 an die Macht kam, vor die Aufgabe gestellt, nicht nur den Staat umzubilden, sondern auch das Währungssystem neu zu gestalten. Der erste Ming-Kaiser, Zhu Yuanzhang, war ein einfacher Kriegsherr aus der Provinz, der sich als Herrscher das ehrgeizige Ziel setzte, auf der Grundlage der philosophischen Lehren des großen Konfuzius eine stabile chinesische Gesellschaft mit hohem Bildungsstand zu errichten, wie der Historiker Timothy Brook erläutert:
«Der Gründerkaiser der Ming wollte erreichen, dass Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen lernten. Er hatte die Vorstellung, dass jeder lese- und schreibkundig sein sollte, und er hielt dies für eine gute Idee, weil es sich auch auf die Wirtschaft des Landes positiv auswirken würde. Außerdem verband er mit der Alphabetisierung noch eine andere Erwartung: Schulkinder sollten lesen, was Konfuzius über kindliche Pietät und Achtung vor den Alten zu sagen hatte, und ein hoher Bildungsstand der Bevölkerung sollte zur Stabilisierung des Reichs beitragen. Ich denke, etwa ein Viertel der Bevölkerung konnte lesen, was auf diesem Geldschein steht, und das ist, gemessen an europäischen Standards dieser Zeit, durchaus bemerkenswert.»
Der neue Ming-Kaiser entschloss sich, im Zuge seines eindrucksvollen Regierungsprogramms auch das Papiergeld wieder einzuführen. Ein solides und zugleich flexibles Währungssystem würde, so dachte er, die Stabilität der Gesellschaft fördern. Also richtete er das Kaiserliche Finanzministerium und 1374 dann ein «Banknoten-Kontrollamt» ein. Im Jahr darauf wurden die ersten Banknoten in Umlauf gebracht.
Das erste Problem, mit dem sich die Behörden konfrontiert sahen, war der Kampf gegen Geldfälscherei. Papierwährungen sind grundsätzlich der Gefahr von Fälschungen ausgesetzt, weil die Kluft zwischen dem Realwert des Papiers und dem aufgedruckten Nominalwert so gewaltig ist. Auf unserem Ming-Schein steht zu lesen, dass die Regierung jedem, der einen Geldfälscher zur Anzeige bringt, eine Belohnung verspricht. Und neben diesem Zuckerbrot wird auch die Peitsche für den Fälscher nicht vergessen:
«Wer Geldscheine fälscht oder gefälschte Scheine in Umlauf bringt, wird enthauptet. Wer einen Fälscher anzeigt und verhaftet, erhält 250 Taels Silber zur Belohnung sowie das gesamte Vermögen des Verbrechers.»
Ein größeres Problem war dagegen der Werterhalt der neuen Währung. Die in dieser Hinsicht wichtigste Entscheidung der Ming-Regierung bestand darin sicherzustellen, dass der Papierschein zu jeder Zeit gegen Münzen eingetauscht werden konnte – der Wert der Banknote sollte dem Wert einer bestimmten Zahl von Münzen entsprechen. Europäer nannten diese Münzen einfach «Cash» – runde Münzen mit einem quadratischen Loch in der Mitte, die in China schonseit über tausend Jahren verwendet wurden. Was mir an dieser Banknote besonders gut gefällt, ist die Tatsache, dass in ihrer Mitte ein Bild der Münzen prangt, die ihrem aufgedruckten Nominalwert entsprechen. Es sind zehn Stapel von jeweils 10 Münzen, also 1000 Cash-Münzen oder ein Guan, wie der Aufdruck besagt. Man kann sich eine Vorstellung davon machen, wie positiv das neue Papiergeld aufgenommen wurde und wie praktisch es war, wenn man bedenkt, welchen Unterschied es macht, ein Blatt Papier oder die Münzen, deren Wert es entspricht, mit sich
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