Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
verwandten Kultur. Es sieht also in der Tat so aus, als seien sie die ersten Menschen, die sich auf dem Kontinent ausbreiteten und zu den Vorfahren der modernen amerikanischen Ureinwohner wurden; sie bevölkerten fast ganz Nordamerika und kamen irgendwo aus dem Norden, denn genetische Untersuchungen scheinen zu belegen, dass die Vorfahren der Native Americans aus Nordostasien stammen.»
Archäologie, DNA und die überwiegende wissenschaftliche Meinung erklären uns also, dass die Ursprungsbevölkerung Amerikas vor weniger als 15.000 Jahren aus dem Nordosten Asiens nach Alaska kam.
Vor gut 40.000 Jahren hatten sich Menschen wie wir von Afrika aus über ganz Asien und Europa verbreitet und waren sogar übers Meer bis nach Australien gelangt. Den amerikanischen Kontinent jedoch hatte noch kein menschliches Wesen betreten. Die Möglichkeit dazu ergab sich erst aus größeren klimatischen Veränderungen. Zunächst führte vor rund 20.000 Jahren eine Verschärfung der Eiszeit dazu, dass ein Großteil des Wassers in Eisschilden und Gletschern gebunden war und der Meeresspiegel dramatisch absank. Das Meer zwischen Russland und Alaska (die Beringstraße) wurde so zu einer breiten, problemlos passierbaren Landbrücke. Tiere – darunter Bisons und Rentiere – zogen hinüber auf die amerikanische Seite, gefolgt von den Menschen, die sie jagten.
Der Weg weiter südwärts ins übrige Amerika führte durch einen eisfreien Korridor zwischen den Rocky Mountains auf der Pazifikseite und der riesigen kontinentalen Eisplatte, die Kanada bedeckte, auf der anderen Seite. Als es vor etwa 15.000 Jahren wärmer wurde, konnte eine Vielzahl von Tieren, wiederum gefolgt von ihren Jägern, durch diesen Korridor zu den üppigen Weide- und Jagdgründen gelangen, die heute die USA bilden. Das war die neue amerikanische Welt der Clovis-Spitzen. Für die draufgängerischen Menschen aus Nordasien stellte sie zweifellos eine großartige Umgebung dar, doch für das Mammut waren die Aussichten weniger rosig. Die geriffelten Seiten der Clovis-Pfeilspitze, die ich so wunderschön finde, lösen in jedem Tier, das davon getroffen wird, heftige Blutungen aus, so dass man damit nicht unbedingt einen tödlichen Trefferlanden und ein lebenswichtiges Organ erwischen muss; es reicht, wenn man die Beute irgendwo trifft, denn der Blutverlust wird das Tier so schwächen, dass man es problemlos erlegen kann. Um 10.000 v. Chr. waren denn auch alle Mammuts und viele weitere große Säugetiere ausgerottet. Die Verantwortung dafür tragen nach Ansicht von Gary Haynes die Clovis:
«Es besteht eine unmittelbare Verbindung zwischen dem ersten Auftauchen von Menschen und dem Verschwinden vieler, wenn auch nicht aller großen Säugetiere in Nordamerika. Diese Art von Verbindung findet man überall auf der Welt dort, wo der moderne
Homo sapiens
aufkreuzt. Fast überall verschwanden die großen Säugetiere – und nicht nur einige Tiere, sondern ein Großteil von ihnen; in Nordamerika waren es zwischen zwei Drittel und drei Viertel.»
Vor ungefähr 12.000 Jahren hatten sich die Clovis und ihre Nachfahren nicht nur über ganz Nordamerika ausgebreitet, sondern auch den südlichsten Zipfel Südamerikas erreicht. Kurz darauf ließen wärmeres Klima und schmelzendes Eis den Meeresspiegel so stark ansteigen, dass die Landbrücke, über welche die ersten Menschen nach Amerika gelangt waren, wieder in den Fluten versank. Der Rückweg war damit abgeschnitten. Für die nächsten rund 10.000 Jahre, bis zum Beginn des dauerhaften Kontakts mit Europa im 16. Jahrhundert, sollten sich die Kulturen und Zivilisationen auf dem amerikanischen Kontinent völlig eigenständig entwickeln.
Vor rund 12.000 Jahren hatte die Menschheitsgeschichte also einen entscheidenden Moment erreicht. Mit Ausnahme der Inseln im Pazifik hatten sich Menschen auf der gesamten bewohnbaren Welt angesiedelt, sogar in Australien. Wir sind offenbar so programmiert, dass wir in Bewegung bleiben und immer wissen wollen, wie es hinter dem nächsten Hügel, hinter der Flussbiegung aussieht. Warum ist das so? Der Journalist und Dokumentarfilmer Michael Palin hat einen Großteil unseres Globus bereist – was glaubt er, was uns antreibt?
«Ich war schon immer ein ziemlich rastloser Mensch und interessierte mich schon als kleiner Junge dafür, wo ich nicht war, was jenseits des Horizonts oder ums nächste Eck lag. Und schaut man sich die Geschichte des
Homo sapiens
genauer an, dann merkt man, dass es dabei vor allem um
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