Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Erforschung von Grabstätten aus dieser Zeit haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die Hüften, Knöchel und Knie von älteren Frauen in der Regel stark abgenutzt sind. Damals wurde derWeizen gemahlen, indem man sich hinkniete und vor- und zurückrutschte, um die Körner zwischen zwei schweren Steinen zu zerreiben. Diese Tätigkeit muss sehr hart gewesen sein und führte zu Arthritis, doch die Frauen im Nahen Osten und die neuen Köche allerorten kultivierten damit eine kleine Zahl nahrhafter Grundnahrungsmittel, mit denen sich größere Menschengruppen versorgen ließen als zuvor. Diese neuen Nahrungsmittel schmeckten zumeist ziemlich fad, doch auch in dieser Hinsicht spielen Stößel und Mörser eine interessante Rolle. Die Köchin und Autorin Madhur Jaffrey meint dazu:
«Nimmt man Senfkörner, die im Altertum bekannt waren, und lässt sie ganz, haben sie nur einen Geschmack; zermahlt man sie jedoch, werden sie scharf und bitter. Man verändert also das Wesen eines Gewürzes, wenn man es zerkleinert.»
Diese neuen Getreidesorten und Gewürze schufen neue Formen von Gemeinschaften. Sie konnten Überschüsse produzieren und diese dann lagern, tauschen oder einfach bei einem großen Fest konsumieren. Unser langer, dünner Stößel wirkt in seiner Eleganz viel zu zerbrechlich, um das kraftraubende tägliche Zermahlen des Taro auszuhalten; insofern handelte es sich vielleicht eher um ein Utensil für Ritualzwecke oder Feste, mit dem besondere Speisen zubereitet wurden, wo Menschen zusammenkamen, um Handel zu treiben, zu tanzen oder wichtige Momente im Leben zu feiern.
Heute, da viele von uns viel und oft unterwegs sind, sind wir von Nahrungsmitteln abhängig, die von Menschen angebaut werden, welche nicht mobil sind und auf dem gleichen Stück Land bleiben müssen. Damit werden die Bauern überall auf der Welt anfällig für jede Klimaveränderung, denn ihr Wohlergehen hängt von gleichmäßigen, vorhersagbaren Wetterverhältnissen ab. Es überrascht deshalb nicht, dass die Bauern vor 10.000 Jahren, ganz gleich wo sie lebten, ein Weltbild entwickelten, in dessen Mittelpunkt Götter für Nahrung und Wetter standen; sie galt es milde zu stimmen und anzubeten, um sicherzustellen, dass der Zyklus der Jahreszeiten weiterlief und sichere, gute Ernten eingefahren werden konnten. Heute, zu einer Zeit, da sich das Klima rasanter verändert als je zuvor in den letzten 10.000 Jahren, richten die meisten Menschen bei der Suche nach Lösungen ihren Blick nicht auf Götter, sondern auf Regierungen. Ein leidenschaftlicher Kämpfer für diese neue Nahrungsmittelpolitik ist Bob Geldof:
«Die ganze Psychologie der Nahrungsmittel, die Frage, wo sie uns hinführt, ist in meinen Augen wichtiger als so gut wie alle anderen Aspekte unseres Lebens. Die Notwendigkeit zu arbeiten erwächst im Grunde aus der Notwendigkeit zu essen, deshalb ist Nahrung so grundlegend wichtig für das menschliche Dasein. Kein Lebewesen kann existieren, ohne zu essen, doch gerade jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ist dies ohne Zweifel eine der drei wichtigsten Fragen, vor der die Weltmächte stehen. Von der Lösung der Ernährungsfrage wird die Zukunft riesiger Teile der Weltbevölkerung abhängen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, doch am wichtigsten ist der Klimawandel.»
Ein erneuter Klimawandel ähnlich dem, dem vor rund 10.000 Jahren die Entstehung der Landwirtschaft primär geschuldet war, könnte heute also unser Überleben als globale Spezies in Frage stellen.
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Die Liebenden von Ain Sakhri
Steinskulptur, gefunden im Wadi Khareitoun, Judäa, nahe Bethlehem
9000 v. Chr.
Als die letzte Eiszeit zu Ende ging, fischte jemand einen Kieselstein aus einem Flüsschen unweit von Bethlehem. Dieser Kiesel muss stromabwärts getrieben worden sein, stieß dabei gegen andere Steine und rieb sich an ihnen (die Geologen sprechen in einer poetischen Anwandlung vom «Schnattern»). Doch eine menschliche Hand formte und bearbeitete vor rund 11.000 Jahren diesen wunderbar rundgeschliffenen Stein und machte ihn zu einem der bewegendsten Objekte im Britischen Museum. Es zeigt zwei nackte Menschen, die im Wortsinne ineinander verschlungen sind. Wir haben es hier mit der ältesten Darstellung eines Paares zu tun, das Sex miteinander hat.
Im Handschriftensaal des Britischen Museums laufen die meisten Menschen achtlos an dem Glaskasten vorbei, der die Skulptur der Liebenden enthält. Vielleicht hat das damit zu tun, dass sie aus der Ferne ziemlich
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