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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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waren, und dies hier sind einige der Original-Goldmünzen, die Lydien und seinen Herrscher so reich machten. Sie stehen beispielhaft für einen neuen Typ von Objekt, der schließlich zu einer ganz eigenen Macht werden sollte – Münzgeld.
    Wir sind heute so daran gewöhnt, mittels kleiner runder Metallstücke Dinge zu kaufen, dass wir darüber leicht vergessen, wie relativ spät die ersten Münzen in der Weltgeschichte auftauchten. Mehr als zwei Jahrtausende lang unterhielten Staaten komplexe Volkswirtschaften und internationale Handelsnetze, ohne Münzen zur Verfügung zu haben. Die Ägypter beispielsweise hatten ein ausgeklügeltes System, das den Wert anhand von standardisierten Gewichten für Kupfer und Gold maß. Doch als neue Staaten und neue Formen der Handelsorganisation entstanden, tauchte erstmals auch Münzgeld auf. Bemerkenswerterweise geschah das unabhängig voneinander fast zeitgleich in zwei verschiedenen Teilen der Welt. Die Chinesen begannen damit, Miniaturspaten und -messer in etwa so zu verwenden, wie wir das heute mit Münzen tun, und beinahe zur gleichenZeit fingen die Lyder an, echte Münzen zu prägen, die wir auch heute noch als solche erkennen – runde Formen aus wertvollen Metallen.

    Diese frühen lydischen Münzen gab es in vielen verschiedenen Größen, das reichte von der Größe eines heutigen Zwei-Cent-Stücks bis zu etwas, das kaum größer als eine Linse war. Die Münzen hatten auch nicht alle die gleiche Form. Die größte hier hat in etwa die Form der Zahl 8 – länglich und in der Mitte leicht eingedrückt –, und darauf zu sehen sind ein Löwe und ein Stier, die sich wie im Kampf gegenüberstehen und so wirken, als würden sie sich gleich aufeinanderstürzen.
    Diese Münzen wurden unter Krösus um 550 v. Chr. geprägt. Krösus, so heißt es, habe sein Gold in dem Fluss gefunden, der einst dem legendären Midas gehörte – der mit dem «goldenen Händchen»; fest steht jedenfalls, dass die Region reich an Gold war, was in der großen Handelsmetropole Sardes, der lydischen Hauptstadt im heutigen Nordwesten der Türkei, ausgesprochen vorteilhaft gewesen sein dürfte.
    In kleinen Gesellschaften besteht kein wirklicher Bedarf an Geld. Dort kann man im Allgemeinen darauf vertrauen, dass Freunde und Nachbarn Arbeit, Essen oder irgendwelche Güter
in natura
bezahlen. Die Notwendigkeit von Geld in unserem Sinne nimmt jedoch zu, wenn man es mit Fremden zu tun hat, die man vielleicht nie wiedersieht und denen man nicht zwangsläufig trauen kann – also wenn man in einer weltläufigen Stadt wie Sardes Handel treibt.
    Bevor es die ersten lydischen Münzen gab, bezahlte man zumeist mit wertvollem Metall – üblicherweise mit Gold- und Silberklumpen. Dabei war es ziemlich egal, welche Form das Metall hatte, es ging allein darum, wie viel es wog und wie rein es war. Es gab freilich eine Schwierigkeit. In ihrem natürlichen Zustand findet man Gold und Silber häufig miteinander oder mit anderen, weniger wertvollen Metallen vermischt vor. Die Reinheit eines Metalls zu überprüfen war deshalb eine mühsame Angelegenheit, die jede geschäftliche Transaktion enorm verzögern konnte. Selbst als die Lyder und ihre Nachbarn rund hundert Jahre vor Krösus das Münzwesen erfunden hatten, war dieses Problem noch nicht gelöst. Denn sie verwendeten damals die in der Natur vorkommende Mischung aus Gold und Silber, nicht die reinen Formen der beiden Metalle. Wie aber sollte man feststellen, aus welchem Material genau eine bestimmte Münze bestand und was sie somit wert war?
    Die Lyder fanden schließlich eine Lösung für dieses Problem, beschleunigten damit den Markt und wurden im Zuge dessen enorm reich. Wie sie merkten, bestand die Antwort darin, dass der Staat Münzen aus reinem Gold und reinem Silber und mit einheitlichem Gewicht prägte, die einen absolut zuverlässigen Wert besaßen. Wenn der Staat dafür garantierte, wäre dies eine absolut vertrauenswürdige Währung, die man ohne jede weitere Nachprüfung bedenkenlos ausgeben oder annehmen konnte. Wie aber bewerkstelligten die Lyder das? Paul Craddock, Fachmann für historische Metalle, erklärt das so:
    «Die Lyder kamen auf die Idee, dass der Staat oder der König standardisierte Gewichte und Reinheitsstandards festlegt. Die Stempel darauf garantieren Gewicht und Reinheit. Wenn man für die Reinheit bürgt, muss man nicht nur über die Fähigkeit verfügen, dem Gold bestimmte Elemente hinzuzufügen, sondern ihm diese auch zu entziehen.

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