Eine Geschichte von Liebe und Feuer
sie, »dass sein Vater ihn nicht mehr sehen kann.«
»Ja, leider«, antwortete Katerina und musste sich bemühen, angemessen traurig zu klingen.
Auch Pavlina kam und brachte Geschenke von Olga.
»Ist denn nicht mal die Geburt ihres Enkelsohns ein Grund, sie aus dem Haus zu locken?«, fragte Eugenia.
»Leider nicht«, antwortete Pavlina bedrückt. »Wenn du mich fragst, wird sie erst dann das Haus verlassen, wenn man sie im Sarg hinausträgt. Aber sie schickt die besten GrüÃe und diese Geschenke. Und ich weiÃ, sie hofft, dass du so bald wie möglich zu ihr kommst.«
Katerina genoss jede Minute, die sie mit dem Neugeborenen verbrachte, und widmete sich in dieser Zeit ausschlieÃlich seinen Bedürfnissen. Den ganzen Tag brachte sie damit zu, ihn zu füttern und in den Armen zu wiegen, und wenn er schlief, nähte sie für ihn und bestickte seine Kleider mit seinem Namen. Eugenia webte weiterhin auf ihrem Webstuhl und war immer zur Stelle, um zu helfen oder ihr Gesellschaft zu leisten.
Beide waren zu Hause, als ein Brief von Dimitri eintraf. Er war schon vor einiger Zeit geschrieben worden und wie zuvor an Katerina adressiert, doch diesmal ohne Fehler in ihrem Nachnamen. Als sie sah, von wo er abgeschickt war, gefror ihr das Blut.
Makronisos.
Dies war die kahle Insel vor der Küste von Attika, die der Regierung als Gefangenenlager für kommunistische Häftlinge diente. Es hatte einen schlimmen Ruf wegen der furcht baren Zustände, die angeblich dort herrschten, und seit einiger Zeit kursierten Geschichten über die barbarische Behandlung, der die Insassen dort ausgesetzt waren.
Liebe Katerina,
es tut mir leid, dass ich nicht schon früher geschrieben habe, um Dir mitzuteilen, wo ich bin. Wie Du dem Poststempel entnehmen kannst, wurde ich vor einigen Monaten verhaftet. Ich kann Dir nichts weiter sagen, auÃer dass ich Dich liebe und Dein Bild in meinem Herzen alles ist, was mich am Leben erhält.
Ich bitte Dich, diese Nachricht meiner Mutter schonend beizubringen und ihr und Pavlina einen Kuss von mir zu geben.
Dimitri
Der Brief klang traurig und resigniert. Die Regierung machte kein Geheimnis daraus, wozu die Insel diente, weil sie an den kommunistischen »Verrätern«, die dort hingeschickt wurden, ein Exempel statuieren wollte. Wie weit man allerdings ging, um den Gefangenen Geständnisse abzupressen, wurde nicht publik gemacht. Derlei erfuhr man nur von ehemaligen Häftlingen, die ihren kommunistischen Ãberzeugungen abgeschworen hatten und freigelassen wurden.
Wenn Liebespaare und Romantiker den eindrucksvollen Tempel auf dem Kap Sounion besuchten, um dort den Sonnenuntergang zu genieÃen, blickten sie übers Wasser auf eine graue, abweisende Felseninsel, auf der es kein Leben zu geben schien. Das war Makronisos.
Allein die Ãdnis der Landschaft hätte schon ausgereicht, um jeden zu entmutigen, der dort hingeschickt wurde. Da aber viele der Gefangenen früher als Lehrer, Rechtsanwälte und Journalisten gearbeitet hatten, traf es sie ganz besonders schwer, weil sie nie gelernt hatten, mit solch harten Bedingungen zurechtzukommen. Die Regierung behauptete, es sei ein Umerziehungslager für Leute mit falschen politischen Einstellungen, tatsächlich aber handelte es sich um einen Ort, an dem Menschen vorsätzlich gebrochen werden sollten. Neben der harten Arbeit beim StraÃenbau, zu der man die Gefangenen zwang, gab es systematisch physische und psychische Folter, angefangen von Schlägen mit Eisenstangen bis hin zu Schlafentzug und Einzelhaft.
In jedem Fall bestand das Ziel darin, einen Widerruf der eigenen Ãberzeugungen zu erzwingen, und um das zu erreichen, machten die Peiniger vor keiner Art von Repressalien halt. Es war kein Geheimnis, dass bis zu zehntausend ehemalige Soldaten auf der Insel eingekerkert wurden.
Manchmal jedoch hielten die Häftlinge diese Torturen nicht lange genug aus, bis sie »bereuten«. Da sie zu Tausenden in notdürftigen Unterkünften zusammengepfercht waren und unter quälendem Hunger und Durst litten, wurden viele von Krankheiten und Seuchen hinweggerafft.
Der zurückhaltende Ton von Dimitris Brief war ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Schreiben zensiert wurden, verriet ihr aber dennoch genug.
»Ich muss zu Olga«, sagte Katerina. Es war an der Zeit, zum ersten Mal mit Theodoris das Haus zu verlassen, und was wäre ein angemessenerer Grund gewesen,
Weitere Kostenlose Bücher