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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Monate länger in Wien bedeuteten zwei Monate länger mit Hettie. Er erschrak leicht, als ihm bewusst wurde, dass sein Leben allmählich nur noch um sie kreiste –
    Von der Wohnungstür drang lautes Klopfen zu ihnen, und Lysander hörte Traudl hingehen. Kurz malte er sich aus, es sei Wolfram, der ihn betrunken abholen und in die Bordelle von Spittelberg entführen wollte.
    Da erschien Traudl zitternd und feuerrot an der Tür.
    »Gnädige Frau«, sagte sie mit schwacher Stimme, »es ist die Polizei.«
    Ob dieser Entehrung ihrer rechtschaffenen Pension verzerrte Frau K angeekelt das Gesicht und marschierte in die Diele. Plischke steckte sich einen Zahnstocher in den Mund und suchte nach Tafelspitzresten. Lysander musterte ihn – diese Gelassenheit kam ihm etwas zu dick aufgetragen vor. Was Sie sich wohl vorzuwerfen haben, Josef Plischke?
    Frau K tauchte wieder im Türrahmen auf.
    »Die Polizei wünscht Sie zu sprechen, Herr Rief.«
    Lysander ging sofort vom Schlimmsten aus, es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Seine Mutter. Tot? Schwerkrank? Ihm wurde übel. Er warf seine Serviette auf den Tisch.
    In der Diele standen drei Polizisten. Graugrüne Uniform, schwarzer Ledergürtel. Schirmmütze mit Abzeichen und flachem Kopfteil. Einer der Männer trug einen kurzen Umhang. Er grüßte als Erster und stellte sich als Inspektor Strolz vor.
    »Sind Sie Lysander Rief?«
    »Ja. Was ist los? Gibt es ein Problem?«
    »Das kann man wohl sagen.« Strolz lächelte entschuldigend. »Sie sind verhaftet.«
    Lysander hörte Frau K hinter ihm nach Luft ringen.
    »Lächerlich. Weswegen sollten Sie mich festnehmen?«
    »Wegen Vergewaltigung.«
    Lysander hatte kurz das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. »Das ist doch absurd. Es kann sich nur um einen Irrtum handeln – «
    »Kommen Sie bitte mit. Wenn Sie unseren Anweisungen folgen, können wir auf Handschellen verzichten.«
    »Darf ich ein paar Dinge mitnehmen?«
    »Bitte sehr.«
    Den Kopf voller wirrer Hypothesen und Gegenhypothesen, ging Lysander in sein Zimmer. Dort blieb er zunächst wie eine Salzsäule stehen – Strolz behielt ihn von der Tür aus im Auge – und überlegte verzweifelt, was er alles brauchen würde. Seinen Mantel, seinen Hut, seine Brieftasche. Sein Notizbuch? Nein. Auf einmal fühlte er sich ausgeliefert und allein gelassen. Und dann kam ihm eine Idee. Er wühlte in der Schreibtischschublade herum und fand schließlich, was er suchte.
    Lysander kehrte in die Diele zurück, Frau K’s Blick tunlichst meidend, und fragte Strolz, ob er noch kurz mit Herrn Barth, einem Freund, sprechen dürfe.
    »Aber machen Sie schnell.«
    Strolz blieb dicht hinter ihm stehen, als Lysander an Herrn Barths Tür klopfte und ihn sagen hörte: »Einen Moment bitte« und dann »Herein«.
    Nun wurde Lysander bewusst, dass er in all den Monaten, die sie Tür an Tür verbracht hatten, erst zum zweiten Mal Herrn Barths winziges Schlafzimmer betrat. Ihm fielen die hohen,schwankenden Notenstapel ins Auge, der Notenständer, über den Herr Barth seine feuchten Wolltrikots zum Trocknen drapiert hatte, der riesige Kontrabasskasten in der Ecke nebendem durchhängenden Bett mit der bestickten Tagesdecke.
    »Habe ich richtig gehört, Herr Rief? Die Polizei? Sie istdoch nicht meinetwegen hier?«
    »Nein, meinetwegen – ein schrecklicher Irrtum, aber ich muss jetzt mitgehen. Könnten Sie bitte diese Person kontaktieren und melden, dass ich verhaftet wurde? Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Dort wird man wissen, was zu tun ist.«
    Lysander überreichte ihm Alwyn Munros Visitenkarte. »Er ist bei der britischen Botschaft.«
    Herr Barth nahm die Karte sichtlich erleichtert entgegen.
    »Sie können auf mich zählen, Herr Rief. Gleich morgen früh.« Als er über Lysanders Schulter spähte und Strolz erblickte, der nur wenige Schritte entfernt stand, senkte er die Stimme. »Das sind lauter Dummköpfe, bei der Polizei, seien Sie einfach ausgesucht höflich, so können Sie ihnen das Maul stopfen. Das wird sie beeindrucken, und Sie haben Ihre Ruhe.«
    Lysander kehrte ein weiteres Mal in die Diele zurück, wo die Wohnungstür nun offen war. Daneben stand Frau K, die Hände ringend, und warf dem Mann, der diese Schande über ihr Etablissement gebracht hatte, hasserfüllte Blicke zu.
    »Das ist nur ein furchtbarer Irrtum«, sagte Lysander, als er mit den drei Polizisten im Gefolge an ihr vorbeischritt. »Ich habe nichts verbrochen. Morgen bin ich wieder da.«
    Doch er ahnte, dass das

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