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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Feuerzeug und zündete ihre Zigarette an. Sie nahm einen tiefen Zug, drückte die Zigarette fester in die Spitze und atmete den Rauch zur Seite aus. Dann lehnte sie sich vor, als wollte sie ihm etwas ins Ohr wispern. Als er ihren warmen Atem an seinem Hals spürte, bekam er eine Gänsehaut.
    »Na, mein lieber Lysander, sollten wir uns vielleicht miteinander verlustieren? Natürlich nur, damit unsere Fräulein Julie möglichst authentisch ausfällt. Was meinst du?«
    »Wenn es rein künstlerischen Zwecken dient, ist dagegen sicher nichts einzuwenden?«
    »Gar nichts. Selbst Rutherford würde uns seinen Segen geben.«
    »Ich halte das für eine sehr gute Idee. Und ich wohne in der Nähe. Heute Nacht habe ich sturmfreie Bude. Wir könnten ganz ungestört proben.« Greville war gerade in Manchester, er tourte zusammen mit Virginia Farringford, die unter anderem Nance Oldfieldspielte.
    Wer sündiget am meisten, der Versucher, oder der Versuchte?, dachte Lysander, der in große Versuchung geraten war. Er sah Gilda in die Augen – sie hielt seinem Blick unverwandt stand.
    »Geh schon mal vor«, sagte sie lächelnd, »treib ein Taxi für uns auf, und ich komme in fünf Minuten nach.«
    Bevor sie sich entfernte, warf sie ihm noch mit Schmollmund einen Luftkuss zu. Lysander fühlte eine Beklommenheit in der Brust, das Blut stieg ihm in den Kopf, Anzeichen seiner beginnenden Erregung. Vermutlich war das alles andere als eine gute Idee, bestimmt würde er sich bis zum Ende der Spielzeit dafür verfluchen, doch zum ersten Mal, seit er in Wien mit Hettie zusammen gewesen war, hatte er Sehnsucht nach einer Frau – genauer gesagt, Sehnsucht nach Gilda Butterfield.
    Nachdem er sich von der Runde verabschiedet hatte, ging er nach unten. Der Oberkellner schickte einen Pagen auf die Straße, um für Lysander ein Taxi anzuhalten, und während er wartete, summte er voller Vorfreude ein Liedchen – My Melancholy Baby . Den Gedanken, dass diese Nacht sich als Nagelprobe für seine Heilung durch Dr. Bensimon erweisen würde, verdrängte er. Mit Hettie hatte es in dieser Hinsicht nie das kleinste Problem gegeben, allerdings hatte es nach Hettie auch niemand anderes gegeben … Eine vage vertraute Gestalt fiel ihm ins Auge, ein Mann, der an der Garderobe Hut und Mantel abholte. Als sich ihre Blicke trafen, erkannten sie einander auf Anhieb wieder. Alwyn Munro schlenderte ihm entgegen.
    »Wenn das nicht Lysander Rief ist, der große Befreiungskünstler!«
    Er gab ihm die Hand. Lysander stellte fest, dass er sich freute, Munro wiederzusehen, warum auch immer.
    »Was gibt’s zu feiern?«, fragte Munro und deutete auf Lysanders Smokingjacke mit der Blume im Knopfloch.
    »Premiere. Maß für Maß .«
    »Gratuliere. Wie’s der Zufall will, haben wir heute über Sie gesprochen.« Munro warf ihm einen listigen Blick zu. »Wo wohnen Sie jetzt eigentlich? Ich möchte Ihnen etwas schicken.«
    Lysander gab ihm seine Adresse in Chandos Place.
    »Sind Sie immer noch in Wien?«, fragte er.
    »Nein. Inzwischen sind wir fast alle ausgereist. Es wird wohl Krieg geben.«
    »Krieg? Ich dachte, das wäre alles nur Säbelrasseln zwischen Österreich und Serbien.«
    »Die Russen, die Deutschen und die Franzosen rasseln nun auch mit den Säbeln. Sie werden sehen, bald sind wir an der Reihe.«
    Lysander kam sich vor wie ein Dummkopf. »Ich habe die ganze Zeit nur in Proben gesteckt«, erklärte er schwach.
    »Unglaublich, wie schnell das alles passiert«, sagte Munro. »Selbst mir fällt es schwer, damit Schritt zu halten.«
    »Ihr Taxi, Sir«, sagte der Page. Lysander wollte ihm ein Trinkgeld geben und wühlte in seiner Hosentasche nach kleinen Münzen. Aus dem Augenwinkel sah er Gilda langsam die Treppe herabkommen. Das bedeutete, er sollte schleunigst ins Taxi springen – man durfte auf keinen Fall sehen, dass sie gemeinsam wegfuhren.
    »Ich muss los«, sagte er zu Munro und berührte ihn zur Beschwichtigung kurz am Ellbogen. »Viel Glück mit Ihrem Krieg.«
    Gildas Körper war wirklich außergewöhnlich, dachte Lysander. Noch nie hatte er dergleichen gesehen oder erlebt – wobei er auf diesem Gebiet keineswegs ein Experte war, bisher hatte er höchstens ein halbes Dutzend nackter Frauen so unmittelbar in Augenschein genommen. Mit ihrer unglaublich hellen Haut schien Gilda jedoch fast einer anderen Spezies anzugehören, Hals und Dekolleté waren von unzähligen Sommersprossen übersät, die auch zwischen ihren kleinen kecken Brüsten mit den ganz blass

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