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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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worden war.
    Burt und ich telefonierten häufig, und unsere Gespräche waren kurz und konzentriert, denn je mehr die Sache in Fahrt kam, desto mehr Mandanten schlossen sich der Sammelklage an. Als er an einem Donnerstag anrief, merkte ich schon bei den ersten Worten, dass er durcheinander und zögerlich war. »Ich rufe an, um Sie um einen Gefallen zu bitten«, sagte er.
    Normalerweise hätte ich mit einem Späßchen geantwortet, doch irgendetwas in seinem Tonfall sagte mir, dass jetzt nicht der rechte Zeitpunkt für Witze war. »Stimmt etwas nicht, Burt?«
    »Die Kriminalpolizei von Georgia hat die Leiche meiner Tante Jean freigegeben«, sagte er. »Sie ist jetzt in einem Beerdigungsinstitut in Polk County, dort, wo vor zwei Monaten die Beerdigung abgewickelt wurde. Ich habe veranlasst, dass sie morgen hier oben in Alcoa eingeäschert wird, in dem Krematorium Ihrer Freundin Helen.«
    »Sie wird gute Arbeit leisten«, versicherte ich ihm.
    »Gut zu wissen«, sagte er, »denn ich will, dass es diesmal richtig gemacht wird.« Er zögerte. »Wären Sie bereit hinzukommen, Doc? Ich will absolut sichergehen, dass es bei der Leiche, die sie geschickt haben, keine Verwechslung gibt.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kriminalpolizei irrtümlicherweise die falsche Leiche freigeben würde«, sagte ich. »Die werden sich ein Bein ausreißen, damit alles stimmt.«
    Einen Augenblick lang sagte er nichts, und die nächsten Worte schienen ihm schwerzufallen. »Ich bitte Sie nicht als Wissenschaftler«, sagte er. »Ich bitte Sie als Freund.«
    »Ich bin da, Burt.«
    Am Freitagnachmittag um vier Uhr fuhr ein schimmernder schwarzer Leichenwagen mit einem Kennzeichen aus Polk County vor dem East-Tennessee-Krematorium vor. Burt und ich waren schon da und warteten, plauderten mit Helen Taylor, die eine Stunde bevor der Leichenwagen erwartet wurde angerufen hatte, um uns Bescheid zu sagen.
    Der Fahrer, der aus dem Leichenwagen stieg, trug einen schwarzen Anzug und eine nervöse Miene. Die Nervosität eskalierte zu blankem Entsetzen, als Burt sich und mich vorstellte. Ich schüttelte dem Mann die Hand, Burt verzichtete demonstrativ darauf.
    Hinten im Leichenwagen stand ein eleganter Sarg, der aus massivem Mahagoniholz gefertigt zu sein schien. Er sah weniger wie ein Sarg aus als wie ein vornehmes Möbelstück, und ich war nicht wenig überrascht, dass so ein kostspieliger Sarg den Flammen übergeben werden sollte. Helen Taylor rollte eine Fahrtrage hinten an den Leichenwagen, und als sie an mir vorbeikam, richtete sie den Blick ostentativ auf den Sarg und formte mit den Lippen stumm die Worte »Zehntausend Dollar«. Ein Teil von mir wollte Burt fragen: Sind Sie sich da ganz sicher? Doch die verschwenderische Extravaganz, so einen schicken Sarg zu verbrennen, ging mich nichts an. Abgesehen davon war es vermutlich auch nicht weniger Vergeudung, einen teuren Sarg zu verbrennen, als ihn zu verbuddeln. Der Pomp war für die Hinterbliebenen gedacht, nicht für die Verschiedenen.
    Dann kam mir eine weitaus pragmatischere Überlegung in den Sinn. Burt hatte dieses ländliche Beerdigungsinstitut wahrscheinlich wegen einer Million Dollar am Haken, womöglich auch mehr, wenn er und sein Onkel Edgar überzeugend über ihren Schmerz und ihr Leid aussagten. Ich dachte zurück an mein Gespräch mit Norm Witherspoon, dem Bestatter aus Knoxville, der den kostensenkenden Avancen der billigeren Dienstleistungen von Trinity widerstanden hatte. Inzwischen dankte Norm sicher seinem Glücksstern, dass er seinen alten Geschäftsbeziehungen treu geblieben war. Und ich war mir ganz sicher, dass das Bestattungsunternehmen in Polk County, genau wie all die anderen in Burts Fadenkreuz, den Tag verfluchte, da es beschlossen hatte, Leichen zum Einäschern nach Georgia zu schicken.
    Der schwitzende, nervöse Leichenbestatter in dem schwarzen Anzug war, wie mir dämmerte, kein Handlanger. Er war wahrscheinlich der Besitzer oder der Geschäftsführer des Bestattungsunternehmens, und er war hier, um dafür zu sorgen, dass bei dieser speziellen Einäscherung diesmal nichts, aber auch absolut nichts schiefging. Und wenn ein Zehntausend-Dollar-Sarg als Geste der Sühne – gewissermaßen als Brandopfer – einen wütenden Anwalt beschwichtigen konnte, war das Geld gut angelegt.
    Der Bestatter und Helen packten die verzierten Griffe des Sargs und zogen daran. Das Holz glitt mühelos über die Rollen, die in den Boden des Leichenwagens eingelassen waren. Diese Rollen

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