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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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– und ruhig und konzentriert bleiben, während ich präzise und gezielte Schüsse auf seinen Kopf abfeuerte? Das wusste ich nicht. Ich wusste auch nicht recht, ob ich auf eine Gelegenheit hoffen sollte, es herauszufinden, oder lieber beten sollte, dass sich keine auftat.

23
    Burt DeVriess hatte recht behalten. An dem Tag, als CNN zum ersten Mal über den Krematoriumsskandal berichtete, hatte sein Telefon angefangen zu klingeln und seither nicht mehr aufgehört. Einige Anrufe kamen von Menschen, die sich fragten, was wirklich in der schicken Urne oder der schlichten Schachtel war, die sie vom Krematorium erhalten hatten. Andere kamen von Reportern, die hinter ausdrucksstarken O-Tönen her waren (und sie auch bekamen) – einige von dem Neffen Burt, der sich bekümmert zeigte ob der unwürdigen Behandlung, die seiner Tante Jean zuteilgeworden war, einige von Anwalt DeVriess, der für die Gerechtigkeit zu Felde zog oder wenigstens für ein Schmerzensgeld in Millionenhöhe.
    Weder Burts zukünftigen Mandanten noch den Heerscharen von Reportern schien es etwas auszumachen, dass er bisher nie etwas anderes gemacht hatte als Strafverteidigung. Auch der Rechtsanwaltskammer Tennessee schien es egal zu sein. »Tennessee erteilt keine Fachanwaltszulassungen«, lautete die Schlagzeile unzähliger Fernsehwerbungen und Telefonbuchanzeigen. »Recht ist Recht«, hatte Burt gewettert, als ein Reporter ihn nach der plötzlichen radikalen Wende in seinem beruflichen Werdegang gefragt hatte. Irgendwie wurde dieses raffinierte Manöver zur Schlagzeile der Geschichte und zum neuen Slogan von Burts Feldzug, die Bestattungsindustrie in die Knie zu zwingen. Hätte Burt beschlossen, sich in einer Kleinstadt irgendwo in den Bergen – etwa in Jonesport – als Anwalt niederzulassen, wäre er schließlich ebenfalls gezwungen gewesen, sich seinen Lebensunterhalt mit den Fällen zu verdienen, die ihm angetragen wurden, ob es dabei um Strafverteidigung ging, Zivilklagen, Testamente und Besitzübertragung, Eheverträge oder Scheidungen. Nur weil er so spektakulären Erfolg hatte, war der Fiese in die Schublade Strafverteidiger gesteckt worden. Burt saß vermutlich in einer Art goldenem Käfig. Kein Grund, warum er ihn nicht gegen einen aus Platin austauschen sollte, wenn ihm der Sinn danach stand. Burts größtes Talent bestand in der Tat darin, sehr häufig in den Medien zu erscheinen und große Einnahmen zu erzielen. Eine Klage im Interesse einer großen Gruppe von Beteiligten, besonders eine so spektakuläre Klage wie diese, würde für reichlich Medienwirbel sorgen. Der Geldfluss würde es glatt mit dem Tennessee River bei hohem Wasserstand aufnehmen können – und würde auf viele Jahre mächtig strömen.
    Es dauerte nicht lange, bis die steigende Flut auch mein akademisches Boot mit anhob. Ich war in die ganze Schweinerei mit hineingezogen worden, als Burt mir die Urne geschickt hatte, in der Tante Jeans Knie hätten sein müssen, es aber nicht waren. Wir wussten jetzt, dass Hunderte von Tante Jeans und Onkel Bobs und Mütter und Väter da draußen waren – Hunderte Urnen mit falschen Krematen, die auf Kaminsimsen standen, und womöglich Tausende weitere einwandfreie Urnen, die den Menschen plötzlich suspekt waren und suspekt bleiben würden, bis jemand nachwies, dass ihr Inhalt echt war.
    Für Burts neue Mandanten war dieser Jemand, wie sich herausstellte, ich. Chloe schickte mir fast täglich ein Päckchen, und eines Tages bekam ich sogar drei Päckchen auf einmal. Die Behältnisse reichten von schlichten Pappkartons bis zu kunstvoll geschnitzten Holztruhen und Messingbehältnissen, doch der Inhalt variierte selten, zumindest wenn die Kremate aus Georgia stammten. Die Plastiktüten aus dem Trinity-Krematorium enthielten fast immer dieselbe Mischung aus Staub, Sand und Kieselsteinen, die ich in Tante Jeans angeblichen Krematen gefunden hatte – eine Mischung, deren Zusammensetzung, wie sich herausstellte, Quikrete-Betonmischung bemerkenswert ähnlich war. An dem Tag, an dem ich drei Päckchen erhielt, rief ich Burts Kanzlei an, um Chloe aufzuziehen.
    »Zu schade, dass ich dieses Material nicht behalten kann«, sagte ich. »Ich hatte mir überlegt, im Hinterhof eine Terrasse anzulegen, und Sie haben mir diese Woche genügend Quikrete geschickt, um einen halben Morgen zu betonieren.«
    Ich war nicht der Einzige, dessen berufliches Boot mit der Flut stieg; meine Kollegen aus Chemie und Geologie, ja selbst aus dem Forstwesen halfen, die

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